Überschwemmungen
Überschwemmungen (Hochwässer, Eisstöße).
Wien war regelmäßig von kleineren Überschwemmungen betroffen, große und extreme Hochwasserereignisse schrieben sich in das Gedächtnis der Stadt ein, zogen Verordnungen und Regulierungsbauten nach sich. Severin Hohensinner hat Informationen zu insgesamt 450 Hochwasserereignissen mit unterschiedlichen Auswirkungen zwischen 1012 und 2013 zusammengetragen.[1] Überschwemmungen traten zu allen Jahreszeiten auf. Im Frühling, Sommer und Herbst waren sie meist eine Folge von Starkregen, manchmal verstärkt durch die Schneeschmelze. Eisstöße verursachten im Winter zahlreiche Überschwemmungen und waren besonders gefürchtet. Ein Eisstoß entsteht, wenn die Eisdecke eines Flusses bricht und sich die Eisschollen entweder an der noch bestehenden Eisdecke oder an anderen Hindernissen wie Brücken zusammenschieben und aufstapeln. Das Wasser kann nicht mehr abfließen und es entstehen Überschwemmungen im Rückstaubereich. Wird der Wasserdruck zu groß, dann bricht der Eisstoß und verursacht eine Flutwelle mit großer Zerstörungskraft. Nicht bei allen dokumentierten Überschwemmungen ist die Ursache bekannt.
Die Hochwasserereignisse können auch nach ihrer Intensität unterschieden werden. Kleine, alljährliche auftretende Hochwässer überschreiten kaum das „bordvolle Gerinne“ und führen selten zu Ausuferungen und Schäden. Erst ab 1828 wurden Hochwässer aufgrund ihrer Jährlichkeit, also dem statistischen Wiederkehrintervall, klassifiziert. Kleine Hochwässer treten demnach 1- bis 5-jährlich auf, mittlere Hochwässer 5- bis 25-jährlich und große Hochwässer mehr als 25-jährlich. Für das 19. Jahrhundert sind auch vermehrt Abflussdaten von Hochwasserereignissen verfügbar. Davor beziehen sich Berichte vor allem auf die Beobachtung der Höhenlage des Wasserspiegels (Pegel- oder Wasserstand). Durch natürliche Veränderungen des Flussbetts, Regulierungen, klimatische Veränderungen oder Wandel der Landnutzung im Einzugsgebiet können Hochwässer mit gleichem Wasserstand oder überfluteter Fläche signifikant unterschiedliche Abflusswerte aufweisen. Eisstöße können trotz normalen oder nur geringfügig erhöhten Abflusswerten große Überflutungen verursachen. Wie verheerend eine Überschwemmung empfunden und erinnert wird, hängt auch von den entstandenen Schäden ab. Diese setzen wiederum voraus, dass sich Gebäude, Infrastruktur und Menschen im Überflutungsbereich befinden.
Die dokumentierten Überschwemmungen zeigen zwei Phasen verstärkter Hochwasseraktivität. Der erste Anstieg ist in den 1560er-Jahren zu beobachten und fällt mit der „Grindelwald-Fluktuation“ zu Beginn der „Kleinen Eiszeit“ zusammen. Zu dieser Zeit veränderte sich auch die Donau-Flusslandslandschaft stark. Der Donaukanal wurde vom Haupt- zum Nebenarm und musste fortan mittels Regulierungsmaßnahmen vor der Verlandung geschützt werden. Die zweite, noch intensivere Phase umfasst das gesamte 18. Jahrhundert, speziell jedoch die Zeit zwischen 1768 und 1789, das Ende der „Kleinen Eiszeit“. An der Wiener Donau sind für diesen Zeitraum 36 Hochwässer dokumentiert, davon sieben extreme Ereignisse. Zwischen 1784 und 1789 verschlechterte sich die Situation sogar noch, als an der Donau jährlich „Katastrophenhochwässer“ stattfanden. Dies steht vermutlich im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Vulkanes Laki in Island 1783/1784, der das Klima der nördlichen Hemisphäre nachhaltig veränderte. Auch Veränderungen in der Landnutzung können durch verstärkten Oberflächenabfluss zur Zunahme von Überschwemmungen geführt haben.
Ab dem späten 18. Jahrhundert wurden die Hochwasserabflüsse an den Wiener Flüssen zunehmend durch wasserbauliche Maßnahmen verändert. In den Jahrzehnten nach der Donauregulierung 1870 bis 1875 nahmen extreme Wasserstände – hohe wie niedrige – zu. Hochwasserkatastrophen blieben allerdings aus – auch wegen der beständigen Erweiterung der baulichen Schutzmaßnahmen (zum Beispiel der Schaffung der Donauinsel 1972 bis 1987). Waren im 18. und 19. Jahrhundert noch knapp die Hälfte der Hochwässer durch Eisstöße hervorgerufen worden, so nahm deren Bedeutung nach der Donauregulierung stark ab.
Donau (einschließlich Donaukanal)
Zwischen 1012 und 2013 sind zahlreiche Überschwemmungen der Donau (einschließlich des Donaukanals) bekannt, darunter:
- 1012 und 1013
- 1118
- 1172
- 1193 (Entstehung des Steilrands nördlich der Währinger Straße, Limesstraße wurde weggerissen; Liechtensteinstraße)
- 1194
- 1210
- 1234, 1235 und 1236
- 1295
- 1316
- 1340
- 1342 (Zerstörung von Wegen und (Wein)Gärten am Kahlenberg)
- 1386
- 1399 (nach sechswöchigen Regenfällen zwischen Christi Himmelfahrt und dem Veitstag [15. Juni])
- 1402 (große Schäden am Unteren Werd)
- 1412 (Stadlau)
- 1438 (Zerstörung des Stadlauer Ortskerns und der Kirche)
- 1440 (Strebersdorf)
- 1445 (am 23. Mai, durch starken Hagel ausgelöst)
- 1456 (im Juni, nach dem Auftreten eines Kometen)
- 1489
- 1501 (14. bis 24. August, Höhepunkt 15. August – daher auch bekannt als „Himmelfahrtsgieß“; 14.000 m³/sek. [stärkstes bekanntes Hochwasser]; alle entlang der Donau gelegenen Orte betroffen): siehe: Hochwasser 1501
- 1516
- 1526
- 1566 (besonders bei Nußdorf und Klosterneuburg)
- 1602 (Jedlesee)
- 1613-1615 (Jedlesee)
- 1656 (Roßau, Unterer Werd)
- 1677 (Leopoldstadt, Groß-Enzersdorf)
- 1682 (Roßau, Leopoldstadt; vergleiche Hauptarchiv-Akt Juli/1682)
- 1708
- 1716 (Leopoldstadt)
- 1729 (9. Februar, ca. 10,9 Meter hoher Eisstau in Verbindung mit Regen und Tauwetter, große Schäden an Brücken und Gebäuden in der Leopoldstadt, Brigittenau und flussabwärts von Wien)
- 1740 (Eisschollen fügten der Schlagbrücke schweren Schaden zu)
- 1741
- 1743
- 1744 (4. bis 6. März, Thury, Lichtental, Roßau, Leopoldstadt)
- 1753
- 1758
- 1760
- 1768 (Eisstoß; Leopoldstadt, Brigittenau, Roßau, Erdberg)
- 1771
- 1776
- 1784 (29. Februar bis 7. März, Eisstoß in Kombination mit plötzlicher Schneeschmelze; Leopoldstadt, Roßau [ Jüdischer Friedhof ])
- 1785 (14. bis 22. Juni, starke Regengüsse, Leopoldstadt, Brigittenau, Floridsdorf); siehe: Hochwasser 1785
- 1786 (28. Juni, Schneeschmelze und Sommerregen)
- 1787 (29. Oktober bis 2. November - "Allerheiligen-Hochwasser" oder „Allerheiligengieß“, am linken Donauufer bis in die Gegend von Stammersdorf)
- 1789 (30. bis 31. Jänner, Eisstoß, Zwischenbrücken)
- 1799
- 1830 (28. Februar bis 1. März, Lichtental [Hochwassermarke in der Kirche], Leopoldstadt [Hochwassermarke Augarten ], Weißgerbervorstadt, Orte am linken Donauufer, darunter Kagran [ Leichenkammer am Friedhof zerstört] und Hirschstetten; Lassingleithner; 21, Leopoldauer Platz 91 [Hochwassermarke am Haus]; 19 Todesopfer)
- 1850 (1. März, Leopoldstadt, Roßau)
- 1862 (29. Jänner bis 7. Februar, Eisstoß, Anstoß zur Beschlussfassung über die Donauregulierung)
- 1870 (Brigittenau, Leopoldstadt)
- 1880 (3. und 4. Jänner, Kaiserebersdorf)
- 1876
- 1878 (Eßling)
- 1880 (Hochwassermarke an der Pfarrkirche Heilige Peter und Paul; Gedenktafeln Wasserhöhe 4. Jänner 1880 [ 11, Schmidgunstgasse 69 bzw. 77; 11, Mannswörther Straße 39, verschwunden ])
- 1897 (31. Juli - 4. August)
- 1899 (13. bis 20. September)
- 1907 siehe: Hochwasser 1907
- 1949
- 1954 (8. bis 28. Juli, 9.600 m³/sek.: Anstoß zu Überlegungen für die Anlage der Neuen Donau) siehe: Hochwasser 1954
- 1975 (Juli)
- 1991 (August)
- 1996 siehe: Hochwasser 1996
- 2002 Bei einem katastrophalen Donauhochwasser im August 2002 kam es dank des erweiterten Hochwasserschutzes durch die Anlage des Entlastungsgerinnes "Neue Donau" und der Donauinsel zu keiner Überschwemmung des angrenzenden Stadtgebiets.
- 2010 siehe: Hochwasser 2010
- 2013 (Juni) Dank des erweiterten Hochwasserschutzes durch die Anlage des Entlastungsgerinnes "Neue Donau" und der Donauinsel kam es zu keiner Überschwemmung des angrenzenden Stadtgebiets.
Wienfluss
Überschwemmungen des Wienflusses:
- 1295 (Bürgerspital vor dem Kärntnertor wird überschwemmt)
- 1405 (26. Juni)
- 1534
- 1670 (3. bis 5. Juli, starker Regen, Überschwemmung von Meidling, das Meidlinger Wehr wurde zerstört und viele Gebäude und insbesondere Mühlen beschädigt)
- 1711 (Juni)
- 1716 (Juni)
- 1741 (5. Juni, die Schäden in den Vororten entlang des Wienflusses und im Schlosspark Schönbrunn sind vor allem auf den Dammbruch der Holztriftklause bei Purkersdorf zurückzuführen)
- 1744 (4.-8. März, Wieden, Schlosspark Schönbrunn)
- 1768 (18.-28. Februar sowie 23. Juli)
- 1780 (29. Juli, Wieden)
- 1784 (26. Februar bis 7. März, alle Brücken am Wienfluss durch Eis weggerissen)
- 1785 (29. Juli, Überschwemmungen nach Wolkenbruch, die Staumauern zweier Teiche in Mauerbach brachen und fluteten den Wienfluss, Wieden und andere Vorstädte waren betroffen, das Gumpendorfer Wehr wurde beschädigt)
- 1805 (Frühjahr und September)
- 1806 (September)
- 1813 (19.-23. Februar, Gumpendorfer Wehr wurde weggerissen)
- 1847 (20. Februar, Eisstoß richtete großen Schaden an den Wehren an, das Meidlinger Wehr wurde nach diesem Hochwasser nicht mehr aufgerichtet)
- 1851 (18. Mai, fast alle Brücken weggerissen [bspw. Fokanedisteg, Karolinenbrücke], Hundsturmer Hauptstraße überschwemmt)
- 1860 (Hietzing, Hacking, Ober- und Unter-St.-Veit)
- 1867 (2.-4. Mai)
- 1897 (31. Juli bis 4. August, das Hochwasser führte zu Schäden bei den Bauarbeiten an der Wienflussregulierung)
- 1899 (17. September, wieder wurden die Bauarbeiten an der Wienflussregulierung gestört)
Als
Überschwemmungen der Als:
- 1537
- 1656 (5. Juli)
- 1741 (5.-21. Juni)
- 1744 (4.-8. März)
- 1784 (26. Februar bis 7. März)
- 1785 (21.-26. April und 29. Juli)
- 1845 (24. April)
- 1898 (Juni, starke Regenfälle verursachten Abflüsse von 69 m³/s, wodurch die Kapazitäten des bereits eingewölbten Alserbachs überschritten wurden, am Zusammenfluss mit dem Währinger Bach kam es dadurch zu Überschwemmungen)
- 1907 (17.-18. Juli, im Bereich des heutigen 17. Bezirks)
Marienbach
Überschwemmung des Marienbachs:
- 1898 (Ober-Sankt-Veit)
Ottakringer Bach
Überschwemmungen des Ottakringer Bachs:
- 1449 (das Gatter des Bollwerks St. Ulrich wurde weggeschwemmt)
- 1641 und 1647 (Schäden an den Fortifikationen)
- 1729 (im Bereich der Neustiftgasse, trotz Einwölbung des Ottakringer Baches gab es große Schäden)
- 1741 (5.-21 Juni, die Einwölbung zwischen St. Ulrich und dem Glacis wurde zerstört)
- 1828
- 1853 (20.-22. Juni, Zerstörung des neuen Kanalbettes)
- 1862 (29. Jänner bis 7. Februar, das Wasser staute sich am Gitter bei der Lerchenfelder Linie und sprengte am 31. Jänner die Einwölbung auf einer Länge von 23 Metern, Keller und Erdgeschoße in der Neustiftgasse wurden überschwemmt, für einige Gebäude bestand Einsturzgefahr)
- 2010 (13. Mai; ein Starkregen führte zu Überflutungen, besonders betroffen war das Bachtal des kanalisierten Ottakringer Bachs)
Krottenbach
Überschwemmung des Krottenbachs:
Liesingbach
Überschwemmung des Liesingbachs:
- Gedenktafel Hochwasser am 20. Mai 1940 (Liesingbachstraße 87)
Retter
Folgende Verkehrsflächen sind nach Personen benannt, die durch ihre Hilfeleistung bei Überschwemmungen bekannt wurden:
- Lassingleithnerplatz, benannt nach Johann Lassingleithner.
- Peter-Berner-Straße, benannt nach Peter Berner.
- Spanngasse, benannt nach Matthias Spann.
- Rögergasse, benannt nach Paul Röger.
Siehe auch
Literatur
- Viktor Thiel: Geschichte der älteren Donauregulierungsarbeiten bei Wien, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge 2 (1903), S. 117 ff. und 4/5 (1905/06), S. 1 ff.
- Hans Smital: Die Donau und ihre wichtigsten Überschwemmungen in unserer Gegend, in: Unser schönes Floridsdorf. Blätter des Floridsdorfer Heimatmuseums 3 (1969), S. 31 ff.
- Robert Messner: Die Landstraße im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der südöstlichen Vorstädte und Vororte Wiens auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verband der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs 1880, S. 154
- Adolf Wolf: Alsergrund-Chronik. Von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie. Wien: Selbstverlag 1981, S. 97, 150 f.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Nebst Quellen- und Literaturhinweisen. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 2. Wien: Touristik-Verlag 1955, S. 257, 259 ff.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Nebst Quellen- und Literaturhinweisen. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3. Wien: Touristik-Verlag 1956, S. 104 ff.
- Topographie von Niederösterreich. Band 2: A-E. Wien: Verein für Landeskunde von Niederösterreich 1879/1885, S. 11 f.
- Severin Hohensinner: Historische Hochwässer der Wiener Donau und ihrer Zubringer. Materialien zur Umweltgeschichte Österreichs Nr. 1, Zentrum für Umweltgeschichte, Wien 2015
- Karl Brunner / Petra Schneider [Hg.]: Umwelt Stadt. Geschichte des Natur- und Lebensraumes Wien. Wien: Böhlau 2005 (Wiener Umweltstudien, 1)
- Peter Payer: Eiszeit in Wien. In: 1000 und 1 Buch 1 (2009), S. 12 - 13
- Peter Payer: Der Gletscher vor Wien. In: Die Presse, 02.02.2009
- Rathauskorrespondenz, 12.07.1954, 13.07.1954
Weblinks
- Wikipedia: Wiener Donauregulierung
- Projekt URBWATER – Vienna’s Urban Waterscape 1683-1918
- Projekt ENVIEDAN – Environmental History of the Viennese Danube 1500-1890
Referenzen
- ↑ Severin Hohensinner: Historische Hochwässer der Wiener Donau und ihrer Zubringer. Materialien zur Umweltgeschichte Österreichs Nr. 1, Zentrum für Umweltgeschichte, Wien 2015