Adolf-Loos-Stadtführung (21. März 1914)

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Detail der Karlskirche, 1848. Die von Loos besprochene Uhr weist Flügel sowie einen Blütenkranz auf.
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Stadtführung
Datum vonDatum (oder Jahr) von 21. März 1914
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 21. März 1914
Thema Architektur
VeranstalterVeranstalter Adolf Loos
Teilnehmerzahl
Gewalt Nein
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  360544
GNDGemeindsame Normdatei
WikidataIDID von Wikidata
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Letzte Änderung am 21.03.2024 durch WIEN1.lanm09lue
BildnameName des Bildes Karlskirche 1.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Detail der Karlskirche, 1848. Die von Loos besprochene Uhr weist Flügel sowie einen Blütenkranz auf.

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48° 11' 34.13" N, 16° 22' 27.54" E, 48° 12' 6.54" N, 16° 22' 19.10" E, 48° 12' 1.16" N, 16° 22' 23.28" E, 48° 11' 56.94" N, 16° 22' 10.70" E, 48° 11' 52.31" N, 16° 22' 18.31" E, 48° 11' 47.48" N, 16° 22' 26.64" E, 48° 11' 34.24" N, 16° 22' 42.81" E, 48° 11' 57.96" N, 16° 22' 31.84" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Route: ArgentinierstraßeKärntner RingCanovagasseKarlsplatzKreuzherrengasseWohllebengassePrinz-Eugen-StraßeSchwarzenbergplatz

Es handelt sich um die letzte der zehn Stadtführungen, die Adolf Loos im Rahmen seiner Bauschule zwischen November 1913 und März 1914 veranstaltete.

Transkription der Mitschrift

"Von der Oper nach dem Kärntner Ring, das ist der schönste Teil der Ringstraße, hat den richtigen Ringstraßencharakter; keine Aufbauten, keine Risalite, gleichmäßige Fenster- und Achsenteilung, glattes Gesims, ordentliche Attika, weiterhin sieht man nichts von Rauchfängen etc., wenn man die nicht direkt sucht.- Die Aufbauten am Heinrichhof sind von Übel für die Großstadt Der Unsinn im Bauen hat damit eigentlich erst begonnen. Die Hausecke (Restaurant Hartmann) ist die schönste Lösung. Infolge des Autoverkehrs baut man jetzt in Berlin z.B. schräge Ecken. Das erleichtert den Verkehr sehr, weil man die Autos früher zu Gesicht bekommt. Aber das Schönste sind die geraden Ecken. Sie ergeben den richtigen Hausbegriff.

Der Zubau des Grandhotels zeigt Unterschiede, die im modernen Hotelleben ihren Grund haben. Früher hatten die Hotelzimmer zwei Fenster und die Fensterachsen standen dichter zusammen. Die modernen Zimmer haben nur ein Fenster, so sind die Achsen weiter auseinander. Die Fenster sind übrigens schlecht, die Beleuchtung muss darin eine Miserable sein; es hätten Fenster mit drei Scheiben sein müssen. Der Bau ist voller Fehler im Detail, die Triglyphen etc.

Das Hotel Imperial früher Palais des Herzogs von Württemberg hat darum noch die Württembergischen Wappentiere. Der Vorbau ist schäbig. Bei dieser Spannung hätten nicht Stein, sondern Eisensäulen hingehört.- Das oberste Stockwerk, das neu aufgesetzt wurde, ist gut gemacht.

Die beiden Häuser an den beiden Seiten der Maximilianstraße zeigen, wie man früher flankierende Häuser des Straßenbildes wegen gleich behandeln musste. Das geschieht jetzt nicht mehr.-

Canovagasse 3 ist von Ferstel.-

Am Karlsplatz lässt sich der Verfall der Architektur genau beobachten, wenn man die beiden Gebäude, die dem gleichen Zwecke dienen, Hansens Musikvereinssaal und das Konzerthaus Fellners mit seiner Heimatkunstarchitektur vergleicht.-

Die Uhrflügel an der Karlskirche sind neu. Die Umrahmung der Uhr besteht auf der einen Seite aus einem groben Eierstab und Flügeln. Loos schrieb damals einen sehr geharnischten Aufsatz dagegen. Da haben sie, statt des Eierstabes an der zweiten Uhr Blüten verwendet.- König ist ihnen dabei zu Hilfe gekommen.- Man muss nur die Feinheit der Kapitäle, des Blattwerkes einmal mit den Blüten und Flügeln, die gar nicht hingehören (Eisenbahnuhrtürme!) vergleichen.- Die Profilierungen, beim Durchgang rechts, waren von Fischer gewiss ganz richtig gezeichnet. Aber die Steinmetze halten sich nicht immer an die Zeichnungen des Architekten. Diese hier waren sicherlich die aus der Stephanskirche, also Gotiker und haben dadurch gotische Details hineingebracht. Sie konnten das klassische Profil nicht arbeiten.

Das Haus in der Kreuzherrengasse hat Loos gebaut, als er bei Mayreder arbeitete. Damals wurde das Palais Lazansky, das an der Stelle stand, wo heute Cook ist, demoliert und dieses hier dem ganz genau nachgebaut d.h. die Breitendimensionen sind die gleichen, die Höhendimensionen waren anders, was hier Parterre ist, war dort Mezzanin. Die einzelnen Höhen sind verschieden gemacht.- Die Fugenteile sind zu tief; sie dürften höchstens 1 1/2 cm tief sein. Alle Naturteile sind schlecht und nicht von Loos, sondern vom jungen Mayreder.

Alleegasse 11 wurde einem preisgekrönten Plane Ohmanns ohne dessen Wissen nachgebaut.

Alleegasse 16, Palais Wittgenstein eines der sympathischesten Wiener Palais.

14 ist schrecklich.

18. Altes Haus, von Fabiani ziemlich gut restauriert, schon damals aber mit einem Ansatz von Heimatkunst.

Wohllebengasse 17. Das hübscheste 'Königs'haus.

14. Schön, durch Ornament verunstaltet.

5. Der genialste Architekt, den Wien hatte, baute dieses Zinshaus dem Grafen Palffy; mit 26 Jahren baute er das Landhaus in Brünn. Nach dem Bau dieses Hauses Nr. 5 ist er vollständig verschollen; er war Alkoholiker, ist im Irrenhaus oder Armenhaus verstorben. Der Bau hat einen kolossalen Zug. Wunderschön das Stiegenhaus-Stufenhöhe! Loos wohnte im Jahre 1898 dort.

Prinz-Eugen-Straße 22 Palais Rothschild; das schönste Privatpalais von frz. Architekten erbaut. Wunderschön die edle Einfachheit des Gitters. Der Steinbewurf ist spezifisch französisch.- Als das Tor vor 5 Jahren neu lackiert wurde, ist ein luftdichter Verschlag dazu gemacht worden; nur so wird der Lack schön und dauerhaft. Vom Hof der schöne perspektivische Effekt. Das ist französische Palaisarchitektur, da können die Wiener nicht mitkommen.

Die französische Botschaft eine schauderhafte Verquickung von Gotik und Rokoko. Dabei sieht man schon von Weitem, dass das Haus verputzt ist, statt in Stein, wie es sicherlich in Frankreich geplant war. Das Gitterwerk! Dafür aber ist es horrend teuer."

Kommentar

Im zehnten und letzten Exkursionstermin führte Adolf Loos über den Kärntner Ring durch die Canovagasse zum Karlsplatz. Anschließend wurde ein Teil des vierten Bezirkes durchwandert, ehe die Führung am Schwarzenbergplatz endete. Loos, der gemeinhin durch seine heftige Polemik gegen den Historismus im Allgemeinen und die Wiener Ringstraße im Besonderen auffiel, konnte einigen Abschnitten der Ringstraße durchaus Respekt zollen, wie die Eingangspassage zeigt.

An der Sirkecke, um 1870

Kärntner Ring

Als städtebauliches Vorhaben, das die Tradition der aus dem Barock stammenden Avenuekonzepte abschneidet und mehr ein Hindernis zwischen Stadt und Vorstadt ist, verdammt er Wiens Prachtboulevard. Das hinderte ihn aber nicht, einzelne Gebäude und deren Architekten interessant zu finden. Was Loos am Kärntner Ring gefiel, ist die Zurückhaltung der Architektur in diesem Bereich und der weitgehende Verzicht auf die Betonung einzelner Bauten durch vor- oder rückspringende Gebäudeteile (Risalite). Glatte Gesimse, hinter Attiken versteckte Dächer, flacher Gebäudeindruck ergeben den Weltstadtcharakter. In dieser Hinsicht wird der Heinrichhof, dessen Architekt Theophil Hansen ansonsten von Loos hochgeehrt wird, getadelt, da dieser durch seine turmartigen Aufbauten zu sehr herausgefallen ist, was jedoch einem freistehenden Gebäude eher zuzukommen scheint als einem Gebäudeverband. Die Gebäudereihe, die Loos hier lobend erwähnt, stammte aus der Frühzeit der Ringstraßenverbauung zwischen 1861 und 1870, die damals geltende zweite und dritte Wiener Bauordnung begünstigte den seriellen und streng wirkenden Gebäudecharakter, da Risalite und Aufbauten bis auf wenige Ausnahmen untersagt waren.

Kärntner Ring, um 1870

Welch feinsinniger Beobachter Loos war, zeigt ein kleiner Hinweis auf das Gebäude Kärntner Ring 8 sowie auf das nebenstehende Haus: Nr. 10. hat eine gerade verlaufende Hauskante, Nr. 8 jedoch eine Abschrägung. Loos zieht einen Vergleich mit Berlin, wo dies Mode geworden ist, da man dadurch den Verkehr früher sehen kann. Die abgeschrägte Gebäudekante raubt dem Bauwerk Loos zufolge jedoch dessen "Hausbegriff", welchen dieser in einer geraden Kante sieht. Loos' eigene Häuser weisen stets eine solche gerade verlaufende Kante auf.

Loos mokierte sich vor allem über den 1911–1913 von den Architekten Max Paschkis und Albert Paar geleiteten Zubau zum Grand Hotel. Feinsinnig beobachtete er, wie eine Änderung des Hotellebens sich auch an der Fassadengestaltung bemerkbar machen muss, wenn man nicht von dem Vorhaben abgeht, ein Gebäude von außen nach innen, und nicht wie von Loos gefordert von innen nach außen zu entwickeln. Die damals modernen Zimmer hatten nicht zwei Fenster in nahe zusammenstehenden Achsen, wie Loos am bestehenden Hotelbau demonstrierte, der 1861 nach Plänen des Architekten Carl Tietz (1831–1874) errichtet worden war, sondern nur eines. Loos konstatierte, dass die Beleuchtung in den Zimmern schlecht sein müsse und die Lösung ein Dreifachfenster gewesen wäre, wie Loos sie selbst auch einsetzte (z.B. im Looshaus. Auch die Verwendung klassischer Profilelemente als bloß dekorative Versatzstücke wirkt an der Fassade unmotiviert. Loos nennt als Beispiel die Triglyphe, die wie an die Fassade geklebt scheinen. Die Rückseite des Gebäudes, das ebenfalls von Carl Tietz 1869 gebaute Palais Seenuß ist übrigens erhalten geblieben.

Grand Hotel mit Zubau von Max Paschkis und Albert Paar, 1937

Der strenghistoristische Bau des Hotel Imperial in Formen der Neorenaissance wurde als Palais des Herzogs Philipp von Württemberg errichtet, nachdem dieser die Tochter Erzherzog Albrechts geheiratet hatte. Loos' Deutung der Skulpturengruppe vor der Attika als Württembergisches Wappen ist jedoch falsch. Es handelt sich um ein selbständiges Kunstwerk, eine von Hirschen und Löwen gezogene Kybele. Ein Hinweis von Adolf Loos ist besonders bemerkenswert: Loos wusste, dass im Zuge der Umwandlung in ein Hotel das Dachgeschoß unter der Ägide der Architekten Karl Kayser und Ludwig Tischler ausgebaut wurde, und zwar so gut, dass auch der Vergleich von Fotografien dies nur auf den zweiten Blick zeigt. Zudem kam im zweiten Obergeschoß ein Balkon hinzu, die Reliefs, die den Eingang des Palais flankierten, wurden nach oben versetzt. Die Löwen an den Gebäudekanten wurden durch Schalenaufsätze ergänzt. Die heutige Situation geht auf eine 1912 beantragte Aufstockung zurück, die jedoch erst 1928 tatsächlich ausgeführt wurde. Auch diese Aufstockung ist bemerkenswert: Das ehemalige auf Konsolen ruhende Hauptgesims wurde belassen, die Aufstockung ist an den Schmalseiten achsengetreu, an der Hauptfassade stehen jedoch die Fensterachsen des Zubaus enger als jene der vorhandenen Bausubstanz. Die Fassade wird durch Riesenpilaster und am Risalit durch Dreiviertelriesensäulen zusätzlich gegliedert. Die ehemals der Kuppel vorgelagerte Attikaplastik wurde in den neu errichteten Dreiecksgiebel eingefügt. Adolf Loos merkte noch die fehlerhafte Gestaltung eines heute nicht mehr erhaltenen Zubaus, wahrscheinlich des Café Imperials mit angebauter Terrasse entlang der Canovagasse, an. Die Bewertung der Materialauswahl nach dem Kriterium ihrer Verwendung war für Loos essentiell.

Palais des Herzogs Philipp von Württemberg, 1866
Hotel Imperial nach der Aufstockung, um 1873

Canovagasse

Beim Gebäude Canovagasse 3–5 handelt es sich um den rückwärtigen Teil des Wohnhauses zum Palais Wertheim, also um einen Erweiterungsbau. In der Architektenfrage ist hier entweder Loos in seinem Vortrag oder dem Exkursionsteilnehmer in seiner Mitschrift ein Fehler unterlaufen. Während der am Schwarzenbergplatz gelegeneTeil des Bauwerks wie das Palais selbst ein Werk Heinrich Ferstels ist, wurde der Zinshaustrakt in der Canovagasse Emil von Förster übertragen. Dieser war Sohn des Architekten Ludwig Förster, der auch die "Allgemeine Bauzeitung" herausgab, mit Theophil Hansen war er über seine Schwester Sophie verschwägert. Der strenghistoristische Erweiterungsbau des Wertheim-Palais erscheint in Neo-Renaissance-Formen. Der bossierte Sockel fasst das Erdgeschoß und ein Mezzanin zusammen, im Zentrum steht ein leicht vorspringender zehn Achsen umfassender Mittelrisalit mit zwei Balkonen in der Beletage. Die Beletage weist eine additive Fensterreihung mit dreiecksgiebeliger Verdachung, das darüberliegende Geschoß eine gerade Verdachung auf. Die Portale liegen jeweils unterhalb der Balkone und sind in Form von Pilasterportalen mit Ädikulaaufsätzen gestaltet. Der anschließende Bau (Canovagasse 7) ist die rückwärtige Fassade des Palais Ofenheim von August Schwendenwein und Johann Romano

Das gegenüberliegende Musikvereinsgebäude wird in der Mitschrift nicht besprochen, was überrascht, da Loos Hansen wegen seiner strengen Rezeption der griechischen Antike sehr verehrte. Hansen dient Loos jedoch als architektonischer Maßstab für die Entwicklung der Gegend um den Karlsplatz, wenn er Hansens Konzertgebäude (1870) mit dem Konzerthaus (1913) von Ferdinand Fellner und Hermann Helmer vergleicht und die Ablösung antiker Baustile durch zeitgenössische Stilschöpfungen als Verfallserscheinung auslegt.

Karlsplatz und Karlskirche

Mit dem Karlsplatz betrat Loos ein in städtebaulicher Hinsicht bereits im frühen 20. Jahrhundert ungemein bewegtes und umstrittenes Gebiet. Als 1910 der Wiener Bürgermeister Karl Lueger verstarb, der ein Befürworter der Realisierung des Stadtmuseums auf dem Karlsplatz war, verfasste Loos einen sarkastischen Essay "Aufruf an die Wiener", in welchem er das Schicksal, welches der Karlskirche durch die mögliche Übersiedlung des Museumsprojektes auf die Schmelz drohte, bitter vorwegnahm: Der ganze Platz wird durch die Errichtung von Zinshäusern für immer entstellt werden.

"Aufruf an die Wiener", Manuskript von Adolf Loos, 1910
Gebäudeschablone für das Kaiser-Franz-Josef-Stadtmuseum von Otto Wagner, 1910

Zwei Jahre später verfasste Loos mit seinem Schüler Paul Engelmann (1891–1965) einen Generalregulierungsplan für die Innenstadt, in welchem als utopische Ausgangssituation der Stadtzustand von 1859 angenommen und gleichsam ein verspäteter Beitrag zum Wettbewerb der Wiener Ringstraße vorgelegt wurde. Darin nahm der Karlsplatz eine zentrale Rolle ein, da jedes Hindernis, das die aus der Zeit Karls VI. stammende quer durch die Innenstadt verlaufende Avenue mit Fluchtpunkt in der Karlskirche verstellte, schlicht aus dem Weg geräumt und der Glacisraum völlig neu organisiert wurde. In seinem Stadtregulierungsplan versetzte Loos die Oper, um die Sichtverbindung wieder freizulegen. Loos schwebte an der Stelle der Oper ein freier arrondierter Platz (der Kärntnertorplatz) vor, der vom Burgtheater und der Oper flankiert sein sollte. Die Mitte blieb als Sichtachse auf die Karlskirche frei.

Was Loos zur Karlskirche selbst sagt, ist bemerkenswert. Er verweist auf Details späterer Abänderungen, die selbst dem genauesten Beobachter ohne Anleitung wahrscheinlich entgangen wären. So klärte Loos über eine unterschiedliche Gestaltung der beiden Uhren über den Durchgängen auf. Er fühlte sich an das damalige Logo der Österreichischen Staatsbahnen (Geflügeltes Rad) erinnert und sprach in dem für ihn typischen Sarkasmus von Eisenbahnuhrtürmen. Korrekt sei ausschließlich die Eierstabumrandung des Ziffernblattes, ein antikes Motiv, wie im rechten Uhrturm, jedoch ohne Flügel. Der Blütenkranz im linken Uhrturm sei Loos zu Folge ebenso wie die Flügel eine Zutat von Carl König. Loos' Architektursinn und Stilkenntnis täuschten ihn jedoch hier ein wenig, zumal er auch nicht in allen Details die tatsächlichen historischen Sachverhalte gekannt haben dürfte. Geht man die bildlichen Quellen zur Fassadengestaltung seit Fischer von Erlach durch, sieht man die Flügel mit den Blütenkränzen kommen und verschwinden. In den Stichen Salomon Kleiners aus dem Jahr 1724 weist die Uhr nur einen einfachen glatten Stuckrahmen auf, wie auch in der durch Fischer von Erlach selbst in Buchform publizierten Fassadenzeichnung erkennbar. In der Variante von 1737 jedoch setzte Kleiner bereits an beiden Uhrtürmen Flügel ein. Welche Detailgestaltung die Einfassung der Uhr hatte, ist nicht erkennbar. Eine kolorierte Lithographie von Karl Postl im Verlag von Artaria zeigt bereits Flügel und Blütenkränze, desgleichen die Wiener Ansichten von Carl Schütz, Johann Ziegler und Laurenz Janscha um dieselbe Zeit. Diesen Befund bestätigen auch frühe Fotografien von Anton Georg Martin (1848) , Ippolito Lafranchini (1850) sowie Andreas Groll (1860). In den Aufnahmen von Victor Angerer (1890) und August Stauda fehlen sowohl Flügel als auch Blütenkränze. Sie dürften bei früheren Renovierungsarbeiten entfernt worden sein.

1909 wurde die Fassade der Karlskirche einer Renovierung unterzogen, der von Loos kommentierte Zustand stammt somit aus dieser Renovierungsperiode. Der Architekt Friedrich Ohmann nahm während der Eingerüstung der Kirche die vorhandene Fassadengestaltung auf. In den entsprechenden Blättern Ohmanns ist auch auf dem rechten Uhrturm der Flügeldekor sowie ein Blütenkranz erkennbar. Da Loos 1914 an dieser Stelle einen Eierstab bemerkt, muss dieser im Rahmen der kurz zuvor abgeschlossenen Sanierung abweichend vom linken Uhrturm angebracht worden sein.

Rechter Uhr- bzw. Glockenturm der Karlskirche, um 1900

Kreuzherrengasse 1

Im Anschluss an die Karlskirche war nach Plänen von Karl Mayreder der Kreuzherrenhof, der als Pfarrhof zur Karlskirche und Ordenshaus der Kreuzherren mit dem roten Stern errichtet worden war. Loos teilte seine eigene biographische Beziehung zu diesem Bauwerk mit, welche in seine Zeit als Mitarbeiter in der Baukanzlei von Karl und Julius Mayreder fällt. Die aus dieser Zeit resultierende Bekanntschaft mit Familie Mayreder brachte Adolf Loos 1903 über Rosa Mayreder auch die Einrichtung der Clubräume des Wiener Frauenclubs im alten Trattnerhof ein.

Loos zufolge wurde das Bauwerk in seiner Gestaltung dem Palais Lazansky nachempfunden. Dieses spätbarocke Palais befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stephansdom und wurde nach dem Tod des letzten Eigentümers Leopold Graf Lazansky durch Bürgermeister Johann Prix für den Bürgerspitalfonds erworben und 1895 durch die Gemeinde Wien abgetragen. Karl Mayreder kannte das Bauwerk gut, er selbst hatte die Abtragung in die Wege geleitet und als Leiter des Stadtregulierungsbüros im Stadtbauamt den Baulinienplan ausgearbeitet. Ziel der Abtragung war die Erlangung einer freien Sichtachse auf den Stephansturm.

Als strenge Kopie, wie die Schilderung von Adolf Loos nahelegt, kann der Kreuzherrenhof freilich nicht gelten. Lediglich der Mittelrisalit an der Kreuzherrengasse weist gestalterische Motive des Lazanskyhauses auf. Portal und Fenstergestaltung halten sich genau an das Vorbild, die Seitenrisalite und die Dachgestaltung sind jedoch eigenständige Lösungen. Die Attikafiguren des Palais Lazansky wurden nach der Demolierung des Gebäudes im Esterházypark aufgestellt.

Lazanskyhaus, um 1893

Argentinierstraße 11

Am Standort befand sich eine 1869 eröffnete öffentliche Volksschule. Das heute dort bestehende Bauwerk wurde 1884 errichtet und diente ebenfalls als Doppelvolksschule, die beiden voneinander separierten Eingänge für Knaben und Mädchen sind noch gut erkennbar, neben dem heutigen Hauseingang ist noch eine Inschriftkartusche erhalten, zwischen den gesprengten segmentgiebeligen Verdachungen des ersten Stockes befindet sich jeweils das Gemeindewappen Wiens. 1895 erfolgte eine Adaptierung des Gebäudes für die Einrichtung einer Bürgerschule, die am Standort bis 1931 betrieben wurde. Untern den Volksschülern war für die Dauer eines Schuljahres der spätere Jurist Hans Kelsen. Ob sich die Gemeinde Wien als Bauherrin tatsächlich wie von Loos behauptet gegen das Wissen des Architekten Friedrich Ohmann eines seiner Entwürfe bediente, konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Die publizierten Entwürfe und Projekte Ohmanns enthalten keinen Hinweis auf das Gebäude. In der betreffenden Hauseinlage des Objektes fehlt bemerkenswerterweise der Fassadenaufriss, die Stockwerkspläne weisen keine Architektenangabe auf. Woher Adolf Loos sein Wissen zu diesem angeblichen Architekturplagiat genommen hat, ist nicht bekannt.

Argentinierstraße 14

Die völlige Ablehnung des Bauwerks mit der lakonischen Bemerkung "ist schrecklich" ist heute schwer zu deuten. Der klare Aufbau, die Natursteinfassade sowie die Säulenordnung sind Elemente, die Loos an anderen Gebäuden dieser Epoche durchaus schätzt. In Zusammenhang mit seinem eigenen Haus auf dem Michaelerplatz fällt die Bemerkung, dass die Gestaltung eines Bauwerkes vom Platz abhänge, an welchem es errichtet werde. Bauplätze können von den Projekten eine Einordnung bzw. sogar eine Unterordnung verlangen. In dieser Hinsicht fällt das Falkensteinpalais Palais Falkenstein-Vrints mit seinem wuchtigen Dachaufbau und den Kolonnaden aus der Reihe. Obwohl Loos sicher erkannte, dass dieses Bauwerk für eine Perspektive aus der gegenüberliegenden Schwindgasse geplant war und damit ähnliche architektonische Kriterien aufwies, wie ein heute nur mehr teilweise erhaltenes Gebäudeensemble (Argentinierstraße 20a) vis-á-vis der einmündenden Wohllebengasse, mochte Loos dieses Herausfallen aus der Gebäudefront arg missfallen haben.

Falkensteinpalais, um 1900

Argentinierstraße 16

Das nach Plänen des Architekten Friedrich Schachner (1841–1907) in Neorenaissanceformen errichtete Palais stufte Loos als "das sympathischeste Wiener Palais" ein. Die Gründe dafür dürften am ehesten in der großen Strenge und Klarheit des Baues gelegen sein, den keine Aufbauten oder vorspringenden Risalite entlang der Straßenflucht akzentuieren, sondern diesen dezent in die Reihe der anderen Gebäude stellt, was Loos bereits bei den frühhistoristischen Bauten am Kärntner Ring gelobt hatte. Denkbar ist auch, dass Loos das Palais auch deshalb lobend erwähnt, da er sich zu dieser Zeit um Kontakt zur wohlhabenden Industriellenfamilie Wittgenstein bemühte. Tatsächlich wurde Loos wenige Wochen nach der Führung, am 27. Juli 1914 über Vermittlung durch Ludwig von Ficker Ludwig Wittgenstein persönlich vorgestellt. Ficker war Ludwig Wittgenstein bei der Suche nach unterstützungswürdigen Künstlern behilflich und mit dem Kreis um Adolf Loos vertraut. Das Bauwerk wurde 1938 durch das NS-Regime der Familie Wittgenstein entzogen. Nach Kriegsende ging das Palais an Hermine Wittgenstein, von welcher es die Länderbank erwarb, um auf der Parzelle ein Miethaus zu errichten.

Palais Wittgenstein, um 1906

Argentinierstraße 18

Es handelt sich bei diesem Bauwerk um ein spätklassizistisches Wohnhaus, das 1831 für den Bauherrn Christoph Senger errichtet wurde. Auf den ersten Blick scheint es sich, abgesehen vom 1890 errichteten Geschäftsportal, das für die im Haus situierte Bäckerei bzw. Konditorei eingebaut wurde, um ein im ursprünglichen Zustand überliefertes Bauwerk zu handeln.

Adolf Loos referierte jedoch eine maßgebliche Veränderung, die der entsprechende Bauakt auch bestätigt: Er bringt seinen Berufskollegen Max Fabiani (1865–1962) ins Spiel, der das Gebäude "mit einem Ansatz von Heimatkunst" renovierte. In der Hauseinlage befindet sich tatsächlich ein "Plan für die Aufmauerung eines Giebels an der Gassenfaçade ", gestempelt mit "Architekt Prof. Dr. M. Fabiani" aus dem Jahr 1904, der Loos vollinhaltlich bestätigt. Der Fassadenaufriss zeigt, dass der gesamten Dachzone über dem Hauptgesims ein geschwungener Giebel vorgesetzt wurde, den ein dreieckiger Giebelaufsatz mit Vase abschließt. Den gesamten Aufbau flankieren zwei ebenfalls neue Dachvasen. Dieser Plan liefert jedoch noch etwas in einer anderen Hinsicht Bemerkenswertes: Die Stampiglie des Architekten Max Fabiani lautet weiter "Wien IV. Alleegasse 18". Laut historischem Meldearchiv wohnte Fabiani zwischen 1899 und 1906 in diesem Haus (Die Umbenennung der Alleegasse in Argentinierstraße erfolgte erst 1921) und wurde offenkundig von den Eigentümern zu Umbauarbeiten Ihres Objektes herangezogen.

Fassadenaufriss für das Haus Argentinierstraße 18 von Max Fabiani, 1904
Argentinierstraße 18, nach 1950

Fabiani war das Restaurieren historischer Bauten – auch in größerem Stil – keineswegs fremd: So kümmerte er sich als Chef des Wiederaufbauamtes zwischen 1917 und 1922 um die Wiederherstellung des schwer kriegsgeschädigten Görz sowie in seiner Zeit als Bürgermeister von San Daniele sul Carso (Štaniel/SLO) um die Rekonstruktion der dortigen Festung.

Welche Quelle Adolf Loos für diesen Hinweis zum Objekt Argentinierstraße 18 zur Verfügung hatte, muss auch hier einmal mehr offenbleiben. Denkbar ist jedoch, dass das Wissen über persönlichen Kontakt zu Fabiani weitergegeben wurde. Max Fabiani ist für den Werdegang von Adolf Loos von besonderer Bedeutung: 1898 beteiligte sich Adolf Loos an einem Aufsatzwettbewerb, den die Architekturzeitschrift "Der Architekt" ausgeschrieben hatte mit dem Thema: "Die alte und die neue Richtung in der Baukunst unter besonderer Berücksichtigung der Wiener Kunstverhältnisse". Fabiani fungierte als Juror und erkannte Loos den zweiten Preis zu. Viel wichtiger als das war jedoch der Umstand, dass Fabiani daraufhin Loos einen bedeutenden Auftrag aus seiner frühen Schaffensperiode vermittelte: die Gestaltung des Café Museum. Das Verhältnis zwischen den beiden Männern war amikal und Loos respektierte Fabiani, sodass er schließlich seine eigenen Schüler zu Fabianis Werken führte, "um zu zeigen, wie mit dem Alten umgegangen werden müsse."

Für Loos ist signifikant, dass er dieses Haus nicht übergeht, da es für eine Bautradition vor dem Historismus steht, an die er selbst anknüpfen möchte. Zudem sind diese Gebäude bereits zu Loos Zeit rar geworden und durch gründerzeitliche Neubauten ersetzt worden. Diffus ist der Hinweis auf einen "Ansatz von Heimatkunst", welchen Fabiani durch seinen Eingriff eingebracht hätte.

Loos befasste sich zwei Jahre vor dieser Stadtführung intensiv mit dem Thema der "Heimatkunst". Ein Vortrag unter diesem Titel ist für den 20. November 1912 im Saal des Österreichischen Ingenieur- und Architektenverein belegt. Darin ging es um die Auseinandersetzung mit der Frage des Heimatstils bzw. der Heimatschutzarchitektur und darum, ob es berechtigt sei, architektonische Elemente, die zu Loos‘ Zeit von traditionellen Bauten auf dem flachen Land bekannt waren, wie beispielsweise der Einsatz von viel sichtbar verbautem Holz, unverputztem Bruchsteinmauerwerk oder Anklänge an Fachwerkarchitektur, in eine Großstadt wie Wien zu verpflanzen. Besonders kritisierte Loos in diesem Vortrag die künstliche Rückwärtsgewandtheit der Architekten, die sich den Möglichkeiten, die technischer Fortschritt erlaubte, verschließen und an "der reproduktion der alten stile" laborieren. Das Resultat, welches Loos an den jüngeren Bauten am Stubenring besonders intensiv auszumachen glaubte, wurde von ihm mit dem berühmt gewordenen Wort "fünfstöckiges Mährisch-Ostrau" bedacht. Adolf Loos warnte mit Nachdruck davor, sich aus falsch verstandenem Traditionalismus den Neuerungen, konkret neuen, auch fremdartigen Baumaterialien (Beton, Kunststein, Eisen, Glas) oder neuen Konstruktionsmöglichkeiten (flaches Dach) zu verschließen. Stattdessen forderte er im Sinne der alten Traditionen zu bauen, die den Fortschritt nicht ablehnten sondern sich mit ihm fortentwickelten.

Denkbar, dass sich seine Kritik auf die Einfügung eines 1907 anachronistischen Giebelwerks durch Fabiani bezieht. Dass Loos letztlich jedoch durchaus die Berechtigung dieses Eingriffes im Stile der Bauzeit dieses Hauses erkennt, lässt sein Gesamturteil erkennen: "Von Fabiani ziemlich gut restauriert." Der Wert von Loos' Äußerung hat jedoch noch eine ganz andere Dimension. Diese Nachricht fügt dem bisherigen Werkverzeichnis Fabianis ein gänzlich unbekanntes Opus hinzu.

Wohllebengasse 17

Die Bewertung des 1896 nach Plänen von Carl König errichteten Wohnhauses ist durchaus doppelsinnig aufzufassen. Wenn Loos so zu interpretieren ist, dass dieses an sich unbedeutende Gebäude das hübscheste sei, was König zu Wege gebracht habe, so steht das Urteil angesichts des gesamten Schaffens von Karl König ganz klar in der Reihe der Schelten, mit welchen Loos seinen Berufskollegen bedachte. Was Loos an diesem Bauwerk als "hübsch" bezeichnet, ist am ehesten dessen für die sonstigen Verhältnisse des neobarocken Architekten König geradezu auffallende Schlichtheit: Die insgesamt fünfachsig gegliederte Fassade wird von zwei schmalen und leicht vorspringenden Risaliten begrenzt. Als hauptsächliches Dekor des Mittelteils dienen neben einem genuteten Sockel in Superposition eingefügte Halbsäulen und mit Balustern versehene Parapete im ersten Stockwerk.

Im Nachbarhaus, Wohllebengasse 19 / Argentinierstraße 17, das 1895 nach Plänen von Ferdinand Seif errichtet wurde, befand sich eine von Adolf Loos für Gustav und Marie Turnowsky eingerichtete Wohnung. Loos dürfte laut Mitschrift nicht darauf eingegangen sein, er hatte das Interieur bereits 1907 während seiner "Wohnungswanderungen" vorgestellt.

Wohllebengasse 14

Die Vorgängerbauten des in der Nachkriegszeit errichteten Neubaus, der sich über zwei Parzellen erstreckt, waren zwei 1836 errichtete Gebäude , von welchen das Haus Nr. 14 im Jahr 1906 durch Adaptierungsarbeiten verändert worden war, während das Haus Nr. 12 noch den ursprünglichen Zustand aufwies. Das Haus Wohllebengasse 14 wurde von Karl und Marie Holl einer der Gemeinde Wien gewidmeten Waisenhausstiftung zugeführt und 1911 von der Gemeinde als Eigentümerin veräußert.

Die zum Zeitpunkt der Führung noch erhaltene Bausubstanz aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte erwartungsgemäß Loos' Gefallen erweckt, die späteren Eingriffe, die er unter Ornamentierungsarbeiten subsumierte, lehnte er als Verunstaltung ab. Das streng serielle Bild der trotz unterschiedlicher Bauhöhen als Einheit wahrgenommenen beiden Häuser, das durch ausschließlich gerade Fensterverdachungen erzeugt wird und eine markante Betonung der Horizontalen bewirken, entsprechen Loos' Vorstellung von Mittelbauten.

Ein im Wiener Stadt- und Landesarchiv erhaltenes Bild zeigt den Zustand des Bauwerks um 1950. Welche ornamentalen Eingriffe Loos zufolge das Bauwerk verunstalten, ist schwer zu deuten, da alle Gesimse sowie die gerade verdachten Fenster des ersten Obergeschoßes aus der Bauzeit stammen. Am ehesten dürfte es sich um die 1907 am Gebäude angebrachte Votivplastik mit den monumentalen Ausmaßen von 350 x 115 cm handeln, die vom Bildhauer Wilhelm Seib zur Erinnerung an die Waisenstiftung von Karl und Maria Holl gestaltet worden war. Wie eine weitere Fotografie aus den 1950er Jahren zeigt, handelte es sich dabei um eine weibliche Figur, wahrscheinlich eine Mutter-Gottes-Darstellung, die ihre Arme schützend über zwei Kinder ausbreitete. Die Kinder Medaillons mit den Portraits der beiden Stifter Karl und Marie Holl halten.

Fassadenaufriss des Mittelrisalits von Robert Raschka für das Haus Wohllebengasse 3-5

Wohllebengasse 3-5

Das Gebäude wurde 1880 als Zinshaus für Johann Graf Palffy-Erdöd erbaut, 1923 ging es in den Besitz von Graf Géza Andrássy über. Architekt war der in 1847 in Bukarest geborene Robert Raschka, ein Schüler von Gottfried Semper und Friedrich Schmidt. Sein Hauptwerk ist das Gebäude des Mährischen Landtages in Brünn, das er gemeinsam mit Anton Hefft 1870 errichtet hatte und an dessen künstlerischer Ausstattung Adolf Loos Senior als Bildhauer beteiligt gewesen war. Loos schildert das Bauwerk als "kolossal": Der imposante Charakter wird durch die blockweise Verbauung zweier Parzellen mit einem langgestreckten und sehr klar strukturierten Gebäude bewirkt. Den Mittelteil flankieren zwei nur sehr mäßig vorspringende Seitenrisalite, deren asymmetrische Gestaltung sich erst mit dem zweiten Blick erschließt: Der linke Risalit umfasst drei Achsen, der rechte dagegen nur eine, wobei die Fenster der Risalite gestalterisch an den Mittelteil angeglichen sind. Über zweigeschoßigem rustiziertem Sockel erheben sich drei glatt verputzte Obergeschoße mit segmentgiebeliger, dreiecksgiebeliger bzw. gerader Verdachung.

Die Mitschrift gibt an, dass Loos 1898 in diesem Haus gewohnt hatte, weshalb er auch ein Detail aus dem Inneren kannte und darüber berichtete. Die Stiegen sind mit einer ungewöhnlich flachen Steigung angelegt. Dies bewirkt einen besonders hohen Raumeindruck des Bereiches zwischen den Treppenläufen. Zusammen mit der verhältnismäßig großen Auftrittsbreite vermittelt die Stiegenanlage eher das Gefühl einer Rampe denn einer Treppe. Auf die Besonderheit der Stiege wurde sogar noch vor Ausführung des Baus in einer vom Bauherrn geschalteten Projektanzeige in der Neuen Freien Presse hingewiesen. Loos erzählt über den Architekten, dass er entweder als Alkoholiker oder Geisteskranker irgendwo verschollen sei. Heute wissen wir etwas mehr über ihn. Robert Raschka hatte sich an mehreren Wettbewerben beteiligt, unter anderem an jenem zur Erlangung eines Planes für die Anlage des Wiener Zentralfriedhofes oder am Projekt Börse für landwirtschaftliche Produkte in der Taborstraße. Auch beteiligte er sich 1901 mit einem Beitrag am Wettbewerb zur Erlangung von Plänen für das Kaiser Franz Josef-Museum der Stadt Wien.

Robert Raschka war neben seiner architektonischen Arbeit auch als Architekturmaler tätig. Sein bekanntestes Werk ist eine Darstellung der Eröffnung des Kunsthistorischen Museums, die vielfach nachgedruckt wurde. Ob Raschka getrunken hat und er, wie Loos behauptet, im Irren- oder im Armenhaus gelandet sei, ist nicht bekannt. Finanzielle Probleme dürfte er gehabt haben, da er kurz vor seinem Tode noch vom Künstlerhausverein finanziell unterstützt wurde. Sein letzter Wohnsitz in Wien war Leegasse 7, die damals zu Hietzing gehörte. Das Gebäude Wohllebengasse 5 war der Wohnsitz der Architekten August Kirstein und Alfred Keller. Kirstein war wie Raschka ein Schüler von Friedrich Schmidt.

Mittelrisalit des großen Palais Albert Rothschild, um 1899

Prinz-Eugen-Straße 20-22

Adolf Loos stellte diesen opulenten Bau, den der französische Architekt Gabriel- Hippolyte Destailleur (1822–1893) für Albert Rothschild zwischen 1879 und 1884 errichtet hatte, als schönstes Privatpalais Wiens vor. Die architektonische Durchbildung des großen Palais Albert Rothschild sei Loos zufolge eine Form der französischen Palastarchitektur, die von keinem Wiener Büro hätte verwirklicht werden können. An dieser Stelle wird einmal mehr die Frankophilie des Architekten erkennbar, der selbst in den 1920er Jahren teils mehrjährige Aufenthalte in Frankreich absolvierte. Das Gebäude wurde lediglich von außen besprochen, wobei die aufwendige, unter Luftabschluss erfolgte Beschichtung der eisernen Einfassung sowie der kleine Hof, der durch Zurücksetzen des Palais hinter die Baulinie entstanden war, besonders erwähnenswert schienen.

Französische Botschaft, 1912

Schwarzenbergplatz 12

Den letzten Haltepunkt auf der von Adolf Loos geleiteten Stadtexkursion bildete das Gebäude der Französischen Botschaft am Schwarzenbergplatz. Die harsche Kritik am Palais des französischen Konsulates belegt, dass sich Loos nicht von persönlichen Sympathien für ein Land zu Lob hinreißen ließ, wo es aus seiner Sicht nicht angemessen war. Etwas umständlich notierte der unbekannte Teilnehmer, was heute unter der Bezeichnung "Art Nouveau" auf einen Begriff gebracht werden könnte: Während Loos die aus seiner Sicht eigenwilligen Formen auf einen Hybridstil aus Gotik und Rokoko festlegt, war es die Intention des Architekten Georges Chedanne (1861–1914), mit dem Jugendstil ein architektonisch verbindendes Element zwischen Frankreich und Wien zu finden, da dieser Stil zur Bauzeit der Botschaft sowohl in Paris als auch in Wien bereits bedeutende Bauwerke hervorgebracht hatte.

Loos war mit seinem Missfallen gegenüber dem neuen Palais keinesfalls die Ausnahme, es gab seit der Fertigstellung des Baues eine nicht enden wollende Häme, die auch in Frankreich selbst wurzelte, wie eine Nachricht des Figaro zeigt: "Statt, wo Bedarf war- ein schönes Palais käuflich zu erwerben und darin unsere Botschaft unterzubringen, hat man es vorgezogen, ein ganz Neues zu errichten, das den doppelten Vorzug aufzuweisen hat, sündhaft teuer und schrecklich hässlich zu sein. […] Über das grauenhafte Gebäude der französischen Botschaft in Wien sind sich alle, die es jemals gesehen haben, einig. Häßlichkeit und schlechter Geschmack haben gesiegt."

Loos weist auf das "horrend" teure Gitterwerk hin, das vor dem Balkon auf Höhe der Beletage angebracht ist. Bemerkenswerterweise gibt es unterschiedliche Angaben über die Herkunft dieser Schmiedeeisenarbeit: Manche Quellen gehen von einer Herstellung in der École de Nancy nach Entwürfen von Louis Majorelle aus, wobei sich der Preis ohne Transport und Montage auf den stattlichen Betrag von 5000,-- Francs belaufen habe, andere Quellen sehen Alexander Nehr als Urheber, der nach den Majorelles Plänen in Wien gearbeitet haben soll. Die Verwendung typischer ornamentaler Elemente der École de Nancy sprechen eher für eine Herstellung in Frankreich.

Quelle

  • Mitschrift zu Stadtführungen im Rahmen der Bauschule Adolf Loos. Wien, 1913-1914 / Wienbibliothek im Rathaus, ZPH 1442, schriftlicher Teilnachlass Adolf Loos, 1.4.20, Blatt 20-22

Literatur

  • Harald Stühlinger: Adolf Loos als Führer zu Architektur und Städtebau. In: Adolf Loos. Schriften, Briefe, Dokumente aus der Wienbibliothek im Rathaus. Hg. von Markus Kristan, Sylvia Mattl-Wurm und Gerhard Murauer. Wien: Metroverlag 2018, S. 223 f.
  • Burkhardt Rukschcio / Roland Schachel: Adolf Loos. Leben und Werk. Salzburg: Residenz Verlag 1982, S. 187 ff.
  • Johann Bernhard Fischer von Erlach, Entwurff einer historischen Architectur. Leipzig: Selbstverlag 1725
  • Friedrich Ohmann (Hg.), Architektur und Kunstgewerbe der Barockzeit, des Rokoko und Empires aus Böhmen und anderen österreichischen Ländern. Wien: Schroll [1909] Tafel 101-103.
  • Die Presse, 14.4.1893, Beilage S. 9
  • Reichspost, 10.4.1896, S. 5
  • Thomas Olechowski: Hans Kelsen. Biographie eines Rechtswissenschaftlers. Tübingen: Mohr Siebeck 2021, S. 46
  • Mirko Gemmel, Die kritische Wiener Moderne. Karl Kraus, Adolf Loos, Ludwig Wittgenstein. Berlin: Parerga 2005, S. 371
  • Edgard Haider, Verlorenes Wien. Adelspaläste vergangener Tage. Wien: Böhlau 1984, 158
  • Bescheid des Bundesdenkmalamtes zur Unterschutzstellung des Hauses Argentinierstraße 18 vom 8. März 1991 in der Hauseinlage zur Einlagezahl 14 im Planarchiv der Baupolizei / MA 37
  • Andrej Hrausky, Janez Koželj, Max Fabiani: Wien, Ljubljana, Triest. Klagenfurt: Hermagoras 2015 S. 19.
  • Boris Podrecca (Hg.), Max Fabiani. 1865-1962. Bauten und Projekte in Wien. Wien: Architektur- und Baufachverlag 1982, o. S.
  • Adolf Loos, Heimatkunst. In: Adolf Loos, Sämtliche Schriften, Bd. 1, hg. von Franz Glück. Wien: Herold 1962, S. 331.
  • Architekten- und Baumeisterzeitung, 10.6.1906, S. 6
  • Österreichische Illustrierte Zeitung, 12.5.1907, S. 5
  • Paula Cenková, Adolf Loos Senior, Brno Sculptor and Stonemason. In: Jindřich Chatrný, Dagmar Černouskova, Jana Kořinkova (Eds.), Adolf Loos, European. His Legacy in Brno and Beyond. Brno: City Museum 2020, p. 329 f.
  • Jan Galeta, Der Wiener Architekt Robert Raschka und seine Wettbewerbsprojekte, In: Opuscula historiae artium, Band 64, S. 53. ff.
  • André Lewin, Die französische Botschaft in Wien. Geschichte des Hauses am Schwarzenbergplatz mit Anekdoten zu Botschaftern Frankreichs aus vier Jahrhunderten. Wien: Franz Deuticke 1995, S. 23