Wiederaufbau in Wien in der Besatzungszeit
Der Begriff "Wiederaufbau" bezieht sich in diesem Artikel konzentriert sich auf den baulichen Wiederaufbau von Gebäuden in der österreichischen Nachkriegszeit, was zeitgleich mit der Zeit der Alliierten Besatzung (1945-1955) zusammenfiel. Für den Artikel, der sich mit der Neuerrichtung der politischen Strukturen und der Verwaltung in Wien in der Besatzungszeit beschäftigt, siehe Verwaltung Wiens in der Besatzungszeit.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bestanden verschiedene, durch den Krieg entstandene bauliche Probleme für Wien, die sich etwa bei Schäden an Gebäuden oder bei Verkehrsflächen zeigten. Da Wien jedoch im Krieg ab 1943 im Vergleich zu anderen Städten spät von den Alliierten bombardiert worden war – vor allem im Herbst 1944 und März 1945 gab es vermehrt Angriffe von Großbritannien und den USA auf Wien – hatten sich vergleichsweise geringe Zerstörungen ergeben.
Trotzdem lagen bei Kriegsende rund 850.000 Kubikmeter Schutt auf der Straße, außerdem bestanden zahlreiche Bombentrichter. 135 Brücken waren beschädigt oder zerstört worden. Schäden bestanden bei Strom-, Gas- und Telefonleitungen sowie bei Kanälen. Von den beschädigten Gebäuden in Wien war der Großteil Wohnhäuser: 36.851 Wohnungen waren vollkommen zerstört, 50.042 konnten aufgrund ihrer Schäden nicht mehr benützt werden. Insgesamt waren 70.000 Wohnungen von zumindest kleineren Zerstörungen betroffen. Die Wohnungssituation stellte nach dem Krieg deshalb eine der zentralen Herausforderungen der Verwaltung Wiens dar – so bezog sich auch die erste amtliche Verordnung des Wiener Bürgermeisters Theodor Körner auf die Wohnraumbewirtschaftung. Diese regelte das Wohnungswesen amtlich, so dass nur das Wohnungsamt in der Bartensteingasse Wohnungen vergeben durfte. Ende 1947 waren über 31.000 Familien gemeldet die eine Wohnung suchten. Die Wohnungsvergabe erfolgte nach einem Punktesystem wobei die bevorstehende Räumung einer Wohnung, gesundheitsschädliche Wohnbedingungen, die Wohndichte, Kriegsversehrtheit, aber auch das politische Verhalten während der NS-Zeit Berücksichtigung fanden. Der Wiederaufbau von Häusern und Wohnungen wurde aus den Mitteln des Wiederaufbaufonds finanziert, der aus Wiederaufbauanleihen gespeist wurde. Mit der Errichtung der Per-Albin-Hansson-Siedlung-West im 10. Bezirk startete auch das kommunale Wohnbauprogramm der Zwischenkriegszeit wieder. Wenngleich bis 1956 50.000 neue Wohnungen errichtet wurden, konnten die Schäden letztendlich erst in 1960er Jahren gedeckt werden.
Der Ausmaß der Zerstörungen unterschied sich je nach Bezirk: Prozentuell gesehen wiesen die Innere Stadt, die Leopoldstadt und Wieden am meisten Schäden auf; heftige Kämpfe hatten auch an den Nahtstellen Wiens – dem Gürtel, der Ringstraße, den Kais oder den Donaubrücken – stattgefunden. Im Vergleich dazu war in Ottakring und Hernals relativ wenig zerstört, in Mariahilf und der Josefstadt waren am wenigsten Schäden entstanden.
Die ersten Jahre des Wiederaufbaus wurden durch den Mangel an Bau- und Rohstoffen, Werkzeugen, Arbeitskräften und Transportmitteln erschwert. Deshalb ergaben sich bis Mitte 1946 kaum Fortschritte bei Wiederaufbau, so dass beispielsweise bis Mitte 1946 noch Schäden an rund 8000 Dächern in Wien bestanden. Der Mangel an qualifizierten Facharbeiterinnen und Facharbeitern kam durch die infolge von Kriegswirtschaft und Kriegsverluste entstandene Lücke am Arbeitsmarkt, die unsichere Sicherheitslage, die komplizierte Ernährungssituation und die existentiellen Schwierigkeiten auf. Besonders schwierig gestaltete sich der Wiederaufbau im Transportsektor, der jedoch für das Funktionieren Wiens erheblich war. Ein weiteres Problem für den Wiederaufbau stellte der anfangs noch desorganisierter Verwaltungsapparat dar.
Aufgrund des Mangels an Materialien und Rohstoffen rief Körner zur Ressourcenschonung auf: Zuerst sollten Instandsetzungsarbeiten erledigt werden, bei denen bei geringstem Aufwand der größte Erfolg in Aussicht stand. In diesem Sinne agierte auch die dafür neu geschaffene Abteilung für ‘Kriegsschädenbehebung an Gebäuden‘ des Wiener Stadtbauamts, das eine wichtige Rolle bei der zentralen Koordination der Bauarbeiten einnahm. Auch die Enquete für den Wiederaufbau der Stadt Wien, stellte eine wichtige Akteurin im Wiederaufbau dar. Nach dem von ihr erarbeitetem Programm teilten sich die Planungen der Rekonstruktion Wiens in drei Phasen: Das Sofortprogramm, das Wiederaufbauprogramm und das Zukunftsprogramm.
Eine Bedeutung im Wiederaufbauprogramm nahmen zudem Gebäude ein, die symbolhaft für Wien standen. Dies betraf beispielsweise den Stephansdom, dessen Dach während der letzten Kriegstage zerstört worden war.
Die Umstände der Besatzungszeit beeinflussten die Politik und den Alltag in Wien maßgeblich, so auch den Wiederaufbau. Beispielsweise erschwerte die Teilung Wiens in vier Besatzungszonen und eine Interalliierte Zone nach dem Zonenabkommen den Austausch der Sektoren untereinander, da diese besonders zu Beginn der Besatzungszeit streng voneinander getrennt wurden und schon die Überquerung der Besatzungsgrenzen eine Herausforderung darstellte.
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Quellen
- Wohnhaus-Wiederaufbaufonds, siehe Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 215a, A1
Literatur
- Gustav Bihl, Gerhard Meißl, Lutz Musner: Vom Kriegsende 1945 bis zur Gegenwart. In: Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 3: Von 1790 bis zur Gegenwart. Hg. Von Peter Csendes, Ferdinand Opll. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2006, S. 545-815, hier: 545, 547.
- Marcus Denk: Zerstörung als Chance? Städtebauliche Grundlinien, Leitbilder und Projekte in Wien 1945-1958. Duisburg / Köln: WiKu-Verlag 2008, S. 114 ff., 127, 138 ff.
- Karl Fischer: Die Vier im Jeep. Die Besatzungszeit in Wien 1945-1955. Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv 1985 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1/1985), S. 6.
- Ela Hornung, Margit Sturm: Stadtleben. Alltag in Wien 1945 bis 1955. In: Österreich 1945-1955. Gesellschaft, Politik, Kultur. Hg. von Reinhard Sieder, Heinz Steinert, Emmerich Tálos. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1995 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik, 60), S. 54-67, hier: 57
- Gottfried Pirhofer, Kurt Stimmer: Pläne für Wien. Theorie und Praxis der Wiener Stadtplanung von 1945 bis 2005. Wien: Stadt Wien 2007, S. 26 f.
- Manfred Rauchensteiner: Kriegsende und Besatzungszeit in Wien 1945-1955. In: Wiener Geschichtsblätter 30. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1975, S. 103.
- Johannes Sachslehner: Wien. Stadtgeschichte kompakt. Wien: Pichler Verlag 1998, S. 214.
- Karl Vocelka: Trümmerjahre Wien 1945-1949. Wien/München: Jugend & Volk o.J., S. 12 f.