Wien 1945 bis 1955
Alliierte Besatzung vom 13. April 1945 bis 27. Juli 1955. Mit dem Ende des Kampfes um Wien stand Wien zunächst unter alleiniger sowjetischer Besatzung, ab 1. September 1945 unter der gemeinsamen Besatzung durch Sowjetische, US-amerikanische, britische und französische Truppen. Die Besatzung endete offiziell mit dem in Kraft treten des Österreichischen Staatsvertrages der den Abzug aller alliierten Truppen innerhalb von 90 Tagen vorsah. Während dieser Periode war die Souveränität österreichischer politischer Entscheidungsträger und Behörden eingeschränkt.
Alliierte Besatzung
Bereits bevor der Kampf um Wien zwischen Roter Armee und den Truppen NS-Deutschlands unter Beteiligung unter Beteiligung von Volkssturm und SS am 13. April 1945 beendet war erließ am 11. April der sowjetrussische Ortskommandant einen Befehl zur „Normalisierung des täglichen Lebens. Am 17. April bestellte Generalmajor Alexej W. Blagodatow Theodor Körner zum provisorischen Bürgermeister, zum (Vizebürgermeister Leopold Kunschak (Österreichische Volkspartei (ÖVP)) und Karl Steinhardt (Kommunistische Partei Österreichs). Am 18. April bildete Körner die erste Nachkriegs-Stadtregierung.
Das Abkommen betreffend die Besatzungszonen und die Verwaltung der Stadt Wien vom 9. Juli 1945, das Memorandum des Alliierten Rates vom 11. September 1945 und das Zweite Kontrollabkommen vom 28. Juni 1946 regelte die Aufteilung Wiens in vier Besatzungszonen. Die Alliierte Kommission für Österreich hatte nach einer Übergangszeit ihren Sitz im Haus der Industrie, 3., Schwarzenbergplatz 4 (von April 1946 bis Juli 1956 Stalinplatz). Sie bestand aus dem Alliierten Rat, dem Exekutivkomitee und verschiedenen Abteilungen der Alliierten Kommission in Österreich. Die Aufgaben der Alliierten Kommission lag darin, die Unabhängigkeit Österreichs von Deutschland zu gewährleisten, freie Wahlen zu ermöglichen und eine Zentralverwaltung zu errichten. Bis dies gewährleistet war fassten die Besatzungsmächte Beschlüsse, übernahmen die Verwaltung, befassten sich mit der Frage der Reparationen, der Verwaltung von deutschem Eigentum sowie der Entnazifizierung.
Die vier Besatzungsmächte stellten eigene Alliierte Stadtkommandanten die die Wiener Interalliierte Kommandantur (Sitz 1945-1953: Justizpalast (1., Schmerlingplatz 10), Sitz 1953-1955: Haus der Industrie (3, Schwarzenbergplatz 4 leiteten. Sie war mit der Kontrolle und Verwaltung der Stadt betraut. Somit war auch der Alltag der Bevölkerung während der Besatzungszeit maßgeblich durch die Kontrolle der Alliierten bestimmt. Die Interalliierte Militärpatrouille mit Angehörigen der US-amerikanischen, britischen, französischen und sowjetischen Besatzungsmacht als ausführendes Organ der Kommandantur, war speziell im internationalen Sektor Wiens, dem 1. Bezirk, tätig. Die Verwaltung der Alliierten wurde durch das Memorandum des Alliierten Rates und das Zweite Kontrollabkommen schrittweise abgebaut. Die Bundesregierung und die Wiener Landesregierung stand aber ebenso wie die Gesetzgebung bis zur Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955 basierend auf dem Moskauer Memorandum und den darin festgelegten Schritten zur Wiederherstellung der vollen Souveränität Österreichs unter Alliierter Kontrolle.
Die Verwaltung Wiens erfolgte in vier Besatzungszonen. Die Bezirke 2, 4, 10, 20, 21 und 22 bildeten den sowjetischen Sektor, die Bezirke 7, 8, 9, 17, 18 und 19 den US-amerikanischen, die Bezirke 6, 14, 15 und 16 den französischen und die Bezirke 3, 5, 11, 12 und 13 den britischen Sektor. Die Innere Stadt wurde als interalliierter Sektor von allen vier Besatzungsmächten verwaltet, und zwar jeden Monat von einer anderen.
Wanderungsbewegungen
In der Spätphase des Zweiten Weltkrieges versuchten ab 1944 immer mehr Menschen Wien zu verlassen. Der Wanderungssaldo betrug bis Ende März 1945 rund -170.000. Mit dem Einsetzen der unmittelbaren Kriegshandlungen rund um Wien wanderten weitere 200.000 Personen aus Wien ab, sodass im Juli 1945 mit 1,323.758 Einwohnern ein Tiefststand der Bevölkerung erreicht wurde. Bereits in den ersten Nachkriegsmonaten setzte jedoch eine Gegenbewegung ein. Durch Rückwanderer aus anderen Teilen Österreichs, den Zustrom von Flüchtlingen und befreiten Kriegsgefangenen betrug in der zweiten Jahreshälfte 1945 der Wanderungsüberschuss etwa 270.000, 1946-1947 weitere rund 160.000. Zudem befanden sich im Jahr 1945 etwa 50.000 jüdische Displaced Personss in Wien, diese waren aus den NS-Konzentrationslagern befreiten Menschen und vor allem ungarische Zwangsarbeiter, die zu Kriegsende hier verfrachtet und eingesetzt wurden. Von ihnen kehrte noch der Mehrzahl in ihre Heimatländer zurück. Zu den „Rückwanderern“ zählten auch Wiener Kinder. Die Aktion "Rückführung Wiener Kinder" nahm unmittelbar nach Kriegsende ihren Betrieb auf mit dem Ziel von der Kinderlandverschickung betroffene Kinder ausfindig zu machen, die seit Sommer 1944 aufgrund der Bombenangriffe aus der Stadt evakuiert worden waren, und sie nach Wien zurückzubringen. Die Nachkriegsjahre zählten zu jenen mit den höchsten Wanderungsüberschüssen in der gesamten Bevölkerungsgeschichte Wiens in der Zweiten Republik.
Flüchtlinge und Vertriebene
Infolge des Zusammenbruchs der NS-Herrschaft in den besetzten Gebieten setzte schon vor Kriegsende ein Flüchtlingsstrom von deutschsprachigen Bevölkerungsteilen aus Ostmittel- und Südosteuropa ein der sich infolge der Vertreibungswellen aus den befreiten Staaten nach Kriegsende weiter verstärkte. Von den diesen Flüchtlingen gelangte zwar die Mehrzahl in die Besatzungszonen der West-Mächte, doch erreichte eine größere Zahl auch Wien. Sie wurden zum größeren Teil in Flüchtlingslagern untergebracht. Von der kommunalen Verwaltung wurde 1946 eine Landesstelle für Umsiedlung und Flüchtlinge eingerichtet.
Geflüchtete jüdische Displaced Persons wurden in eigenen von den Westalliierten kontrollierten Lagern streng nach Nationalitäten getrennt untergebracht. Die Lager wurden in Baracken, Kasernen, Schulen oder Hotels eingerichtet. Diese waren als Transitstationen geplant. Aufgrund eines neu aufflammenden Antisemitismus in Osteuropa wollten jüdische Displaced Persons ab 1946 nicht mehr dorthin zurück. Zudem flüchteten auf Grund von Pogromen an die 100.000 Juden aus Polen nach Österreich, 30.000 1947 aus Rumänien. Ein erheblicher Teil hielt sich zumindest temporär in Flüchtlingslagern der Westalliierten in Wien auf. Die wiedergegründete Israelitische Kultusgemeinde, mit deren Leitung Bürgermeister Theodor Körner zunächst Josef Löwenherz betraute, der in der Folge von der KPÖ nahestehenden Personen ersetzt wurde, suchte diesen Flüchtlingen Hilfestellung zu geben.
Versorgung
Die Ernährungslage in der Nachkriegszeit war bis einschließlich 1947 durch massive Unterversorgung gekennzeichnet. In den ersten Nachkriegsmonaten versuchte die Kommunalverwaltung die Lebensmittelversorgung durch Zuteilung aus nicht geplünderten Depots einigermaßen zu gewährleisten. Die vom sowjetischen Diktator Josef Stalin angeordnete Maispende um die Wiener Bevölkerung für den Kommunismus zu gewinnen reichte nur für wenige Wochen und war auch qualitativ ungenügend. Die wöchentliche Zuteilung pro Verbraucher betrug anfangs ein halbes Kilo Brot. Die Verteilung erfolgte durch das am 15. April 1945 reaktivierte städtische Ernährungsamt zunächst noch mit Hilfe von Reichslebensmittelkarten. Die Lebensmittelkarten wurden an Hausbevollmächtigte übermittelt, die Verrechnung mit Lebensmittelabgabestellen vorgenommen. Von diesen existierten 1947 rund 15.500 Kleinhandelsbetriebe, rund 400 Großhandelsbetriebe und rund 200 Kranken und Wohlfahrtsanstalten. Von Juni 1945 bis 22. September 1945 übernahm die sowjetische Besatzungsmacht die Verteilung, dann übergab sie diese an die städtische Verwaltung. Die ausgegebenen Lebensmittel bestanden bis zum Herbst 1945 vorrangig aus Hülsenfrüchten, im Frühjahr 1946 aus Fleischgemüsekonserven, im Sommer 1946 aus Salzfischen, manchmal nur aus Fischkonserven oder Haferflocken. Die Hilfsgüter stammten bis Ende März 1946 aus Beständen der Alliierten, ab 5. April 1946 von der österreichischen Kommission der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA). Die UNRA-Hilfslieferungen wurden mit 31. März 1947 offiziell beendet, doch erhielt Österreich dank der Hilfe des US-Außenministeriums aus Restbeständen noch zusätzliche Waren zugewiesen.
Das Überleben war in den ersten Monaten nur durch Versorgung über den Schwarzmarkt, durch persönliche Beziehungen zu bäuerlichen Produzenten („Hamstern“) oder durch Kontakte zur Roten Armee möglich. Entsprechend schnellte die Säuglingssterblichkeit im Nachkriegs-Wien, wie auch die allgemeine Sterblichkeit in die Höhe. Hinsichtlich der Sterblichkeit trat schon ab 1946 ein rascher Rückgang ein der durch Ausländische Hilfsaktionen im Nachkriegs-Wien maßgeblich befördert wurde. Heranwachsende Kinder im schulpflichtigen Alter traf die Unterversorgung besonders schwer. 1946 galten 32% als hochgradig und weitere 38% als mäßig unterernährt. Für Schulkinder wurden mit Hilfe der westlichen Besatzungsmächte und skandinavischer Länder (Dänemark, Schweden ab 17. September 1945 Schulausspeisungen durchgeführt. Auch in den Ferien blieben die Ausspeisestellen geöffnet, selbst während der Kälteferien im außerordentlich strengen Winter 1946/47. Eine Mahlzeit lieferte etwa 400 Kalorien. Eine wichtige Rolle spielten auch Hilfsaktionen verschiedener internationaler Organisationen, so die internationale Quäkerhilfe. Durch sie kamen Hilfspakete zur Verteilung, wurden Patenschaften für Kleinkinder übernommen und eine Ausspeisung für die ältere Bevölkerung betrieben. Im kollektiven Gedächtnis der Wiener Bevölkerung am stärksten haften blieben die Care-Pakete, Lebensmittelpakete aus den Vereinigten Staaten, die von der 1946 gegründeten Cooperative for American Remittances to Europe (C.A.R.E.) an Empfänger in zahlreichen europäischen Ländern gelangten.
Neben der Versorgung mit Nahrungsmitteln bildete die Energieversorgung im Nachkriegs-Wien ein zentrales Problem. Im Zug des Kampfs um Wien war sie Anfang April 1945 völlig zusammengebrochen. Strom und Gas standen nicht mehr zur Verfügung. Kohlenvorräte wurden geplündert, Holz im Wienerwald gesammelt. Nach der Wiederherstellung einigermaßen geordneter Verhältnisse wurden Gas und Strom rationiert. Besonders kritisch wurde die Energieversorgung in den Nachkriegswintern 1945/46 und 1946/47. Zwar stieg das Stromverbrauchsvolumen bis Mitte 1946 wieder auf den Vorkriegswert, ehe eine Kältewelle die Rationierung auf eine halbe Kilowattstunde zu Beginn 1947 erzwang. Die strengen Nachkriegswinter veranlassten das städtische Wohlfahrtsamt 41 Wärmestuben in Betrieb zu nehmen die von 14 bis 21 Uhr offenstanden und in denen auch heiße Getränke verabreicht wurden.
Gesundheitliche und sanitäre Lage
Die Gesundheitliche und sanitäre Versorgung in Wien in der Besatzungszeit war in den ersten Nachkriegsmonaten katastrophal. Unmittelbar nach Kriegsende brachen in Wien Ruhr-, Paratyphus- und Typhusepidemien aus. Die größten Opferzahlen forderte die Ruhr, wozu auch die mangelhafte Wasserversorgung beitrug. Die Wasserversorgung konnte allerdings nach wenigen Monaten wieder voll hergestellt werden. Dank massenhafter Typhusimpfungen und Dank des massiven Einsatzes von Desinfektionen mit DDT gelang es noch im Lauf des Jahres 1945, eine weitere größere Ausbreitung dieser Epidemien zu verhindern.
Mit der schlechten sanitären und der Ernährungslage verbunden war auch ein drastischer Anstieg der Tuberkulose im Nachkriegs-Wien. Bereits 1946 und in den Folgejahren sank die Tuberkulosesterblichkeit jedoch rasch.[1] Die Zahl der Neuerkrankungen an aktiver Tuberkulose, die bis 1947 angestiegen war, sank bereits 1950 auf weniger als 50% des Ausgangsniveaus. Dazu trug nicht zuletzt die Arbeit der Tuberkulosestationen in den Krankenhäusern bei.
Beim Kampf um Wien waren etwa 6.500 Personen gefallen die nur notdürftig beerdigt worden waren. Die sowjetische Besatzungsmacht drängte auf Exhumierungen doch mangelt es an Särgen. Erst im Frühjahr 1946 konnten diese unter Mithilfe der Bevölkerung bei der Identifizierung anlaufen. Sie setzten sich 1947 fort.
Vor allem in den ersten Nachkriegsmonaten kam es zu zahlreichen Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten. Damit und mit dem Anstieg der Prostitution einher ging ein sprunghafter Anstieg der Geschelechtskrankheiten die in der Heilanstalt Klosterneuburg behandelt wurden. Allerdings bestand in den ersten Nachkriegsmonaten ein eklatanter Medikamentenmangel. Unter diesen litten generell die Krankenhäuser im Nachkriegs-Wien. Von diesen waren manche durch Bombenangriffe beschädigt, manche von den Alliierten für eigene Zwecke beschlagnahmt.
Entnazifizierung und Restitution
Maßnahmen, um gegen nationalsozialistisches Gedankengut und AnhängerInnen des Nationalsozialismus beziehungsweise ehemalige Mitglieder der NSDAP vorzugehen wurden von den alliierten Besatzungsmächten und auf Seiten der österreichischen Behörden getroffen. Kurz nach der Konstituierung der provisorischen österreichischen Regierung erließ diese das Kriegsverbrechergesetz vom 26. Juni 1945 und das Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945, das die Rechtsgrundlage für die Registrierung und Behandlung von Mitgliedern der NSDAP bildete und auf Parteiangehörige der NSDAP zutraf, die nicht durch das Kriegsverbrechergesetz verfolgt wurden. Bis August 1947 wurden 108.405 Personen, davon 77.134 Männer, registriert. 21.081 Personen wurden als ‘Illegale‘ aufgenommen. Von den in Wien registrierten Personen reichten 91.010 Gesuche auf Entregistrierung ein. Zudem bestand ein Wirtschaftssäuberungsgesetz vom 12. September 1945.
Die Umsetzung der Entnazifizierung entfiel in mehrere Phasen. In der Militärischen Sicherheitsphase (April-Juni 1945) gingen Verhaftungen von Nationalsozialisten vor allem von der sowjetischen Besatzung aus, von Juni 1945 bis Februar 1946 erfolgten die Maßnahmen durch die österreichische Regierung und die Alliierten. In der dritten Phase von Februar 1946 bis Februar 1947 nach der Bewilligung durch den Alliierten Rat traten das Verbotsgesetz, das Kriegsverbrechergesetz und das Wirtschaftssäuberungsgesetz in Kraft. Bis Februar 1947 erfolgte Entnazifizierung von österreichischer Seite unter alliierter Kontrolle auf deren Grundlage. In der vierten Phase von Februar 1947-Mai 1948 orientierte sich die Entnazifizierung am Nationalsozialistengesetz vom Februar 1947. Um diese Gesetze durchzusetzen wurden Volksgerichte als Sondergerichte geschaffen, die sich aus zwei Berufsrichtern und drei Schöffen zusammensetzten. Zusätzlich zu den Volksgerichten bestanden Alliierte Gerichte, die sich mit nationalsozialistischen Verbrechen auseinandersetzten. Ab 1948 kam es zu verschiedenen Amnestien, darunter die ‘Minderbelastetenamnestie’, die sich auf etwa 90% aller registrierten Nationalsozialisten bezog. Die Volksgerichte wurden 1955 nach dem Abschluss des österreichischen Staatsvertrags und dem Abzug der Besatzung durch das Verfassungsgesetz vom 20. Dezember 1955 aufgehoben und die Verfolgung von NS-Verbrechen an Geschworenengerichte übertragen.
Im Wiener Magistrat und den Unternehmungen waren im August 1946 auf Basis von Sonderkommissionen von den Bediensteten 7216 Personen als Illegale entlassen, weitere 2607 Personen ausgeschieden durch Pensionierung, Kündigung oder Entlassung.[2] Gesetzliche Grundlage für die Sonderkommissionen bildete die Verbotsgesetznovelle vom 15. August 1945. Im Mai 1947 wurden bei 54.649 Bediensteten der Gemeinde Wien 4.322 registrierungspflichtige Personen genannt, die einer Prüfung durch die Sonderkommission unterlagen. Bis Ende 1947 wurden weitere über 1.000 Personen aus politischen Gründen entlassen.
Der Restitution diente die Vermögensentziehungs-Anmeldeverordnung (VE-AV) die sogenannte Ariseure verpflichtete, entzogene Vermögen von primär jüdisch Verfolgten des NS-Regimes anzumelden. Zudem konnten auch Geschädigte bzw. deren Nachkommen entzogenes Vermögen melden. Die Restitution erfolgte dennoch unvollständig und ungenügend, zum Teil weil das entzogene Vermögen während der NS-Zeit mehrmals den Besitzer gewechselt hatte, was den Ariseuren finanzielle Gegenforderungen ermöglichte, zum Teil weil die zuständigen heimischen Behörden zu Gunsten von Vermögensentziehern entschieden.
Opfer des Naziterrors
Durch Terror und Verfolgung von Personen im Einflussbereich von NS-Deutschland waren hundertausende Menschen in Konzentrationslager gesteckt oder von anderen Zwangsmaßnahmen betroffen gewesen. Zu deren Erfassung wurde im Rathaus eine Zentralregistrierungsstelle eingerichtet, die bereits im Juni rund 10.000 Personen erfasst hatte. Die Stelle war bis Marz 1946 aktiv, weitere Opfer von der Volkssolidarität registriert. Im Rahmen der Opferfürsorge erhielten Geschädigte ab 1947 Entschädigungen und Rentenzahlungen.
Kulturpolitik
Die Alliierten wie die neue, demokratische Stadtregierung versuchten durch verschiedene kulturpolitische Maßnahmen die erfolgte NS-Ideologisierung der Bevölkerung entgegen zu wirken, wobei es den Sowjets um eine Begeisterung für den Kommunismus, den Westmächten um die Demokratisierung und Hinwendung zum westlichen Lebensstil ging.
Die kommunale Kulturpolitik der Nachkriegszeit wurde sehr stark von einzelnen Persönlichkeiten wie den Stadtrat|Amtsführenden Stadtrat für Kultur und Volksbildung Viktor Matejka geprägt. Matejka rief vertriebene Künstlerinnen und Künstler sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem offenen Brief zu Rückkehr nach Österreich auf und holte einzelne Remigratinnen und Remigranten - wie etwa Berthold Viertel oder Paul Schick - nach Wien zurück, wurde dabei aber von den anderen Gemeinderatsparteien nicht unterstützt. Einige Bedeutung erlangten in den unmittelbaren Nachkriegsjahren die Künstlerische Avantgarde in der Nachkriegszeit wie Bronislaw Teichholz, Edgar Jené oder Lepold Wolfgang Rochowanski.
Wiederaufbau
Obwohl der Kampf um Wien vergleichsweise kurz gedauert hatte, befand sich die bauliche Infrastruktur nach Kriegsende in einem bedenklichen Zustand. Rund 850.000 Kubikmeter Schutt lagen auf den Straßen und es bestanden zahlreiche Bombentrichter. 135 Brücken waren beschädigt oder zerstört worden. Schäden bestanden bei Strom-, Gas- und Telefonleitungen sowie bei Kanälen. 36.851 Wohnungen waren vollkommen zerstört, 50.042 konnten aufgrund ihrer Schäden nicht mehr benützt werden. Zudem wurde eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Gebäuden und Wohnungen von den Alliierten für eigene Zwecke beschlagnahmt. Die Wohnungssituation stellte nach dem Krieg deshalb eine der zentralen Herausforderungen der Verwaltung Wiens dar. Der Wiederaufbau in der Nachkriegszeit fand unter schwierigen Rahmenbedingungen statt. Während große Beschädigungen nur durch von den Alliierten zur Verfügung gestellte Lastkraftwagen, Bagger, Kräne beseitigt werden konnten, wurden für die Beseitigung von Schutt auch immer wieder zwangsweise Zivilisten, in erster Linie belastete Nationalsozialistinnen, herangezogen. Durch die Bilder Schutt räumender Frauen entstand der Mythos der „Trümmerfrauen“ ohne die der Wiederaufbau nicht möglich gewesen wäre. Der Wiederaufbau von Häusern und Wohnungen wurde aus den Mitteln des Wiederaufbaufonds finanziert, der aus Wiederaufbauanleihen gespeist wurde. Mit der Errichtung der Per-Albin-Hansson-Siedlung-West im 10. Bezirk startete 1947 auch das kommunale Wohnbauprogramm wieder. Bis 1956 wurde rund 50.000 neue kommunale Wohnungen errichtet.
Die Schulen im Nachkriegs-Wien waren besonders unmittelbar nach Kriegsende von Mangel geprägt. Viele Gebäude waren zerstört oder beschädigt und konnten nicht beheizt werden, das Inventar war Großteils vernichtet oder gestohlen. Die Schülerinnen und Schüler waren unterernährt. Zugleich nahm die Zahl der Schulkinder bis 1954 kontinuierlich zu. Ab 1948 investierte die Stadt in den Bau moderner Schulen. Für ältere Jugendliche wurde 1945 die Aktion Jugend am Werk ins Leben gerufen. Diese bot Nachschulungen für 14- bis 18-jährige Jugendliche an, die aufgrund der Kriegsereignisse zu viele Stunden versäumt hatten, um ein Abschlusszeugnis zu erlangen. Jugend am Werk sorgte auch für die Beschäftigung in Kursen und Lehrwerkstätten.
Literatur
- Karl Fischer: Die Vier im Jeep. Die Besatzungszeit in Wien 1945-1955. Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv 1985 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1/1985), S. 3, 5 f.
- Ela Hornung, Margit Sturm: Stadtleben. Alltag in Wien 1945 bis 1955. In: Österreich 1945-1955. Gesellschaft, Politik, Kultur. Hg. von Reinhard Sieder, Heinz Steinert, Emmerich Tálos. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1995 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik, 60), S. 54-67, hier: 61
- Jürgen Hörmann, Die Ernährungs- und Versorgungslage in Wien, Ottakring in der Erinnerung von Zeitzeugen (ungedr. phil. Diss.), Wien 2009.
- Ermar Junker, H. Klima, Die Entwicklung der Tuberkulose in Wien seit dem zweiten Weltkrieg. In: Der Tuberkulosearzt 16 (1962), S. 159-161.
- Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien 1945-1947, Wien 1949
- Manfred Rauchensteiner: Kriegsende und Besatzungszeit in Wien 1945-1955. In: Wiener Geschichtsblätter 30. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1975
- Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien NF 7 (1943-45), Wien 1948
Einzelnachweise::
- ↑ Ermar Junker, H. Klima, Die Entwicklung der Tuberkulose in Wien seit dem zweiten Weltkrieg. In: Der Tuberkulosearzt 16 (1962), S. 159-161.
- ↑ Wiener Zeitung vom 21.12.1946