Gesundheitliche und sanitäre Versorgung in Wien in der Besatzungszeit

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Vizebürgermeister Weinberger besucht einen Kindergarten, zwei Ärzte verabreichen einem kleinen Jungen eine Polioimpfung, 01.01.1955
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Datum vonDatum (oder Jahr) von 1945
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 1955
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Alliierte Besatzung, 1945 bis heute, 1945 bis 1955, Epidemien im Nachkriegs-Wien, Gesundheitswesen, Geschlechtskrankheiten im Nachkriegs-Wien, Krankenhäuser im Nachkriegs-Wien
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Letzte Änderung am 21.11.2024 durch WIEN1.lanm08trj
BildnameName des Bildes Polioimpfung_1955.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Vizebürgermeister Weinberger besucht einen Kindergarten, zwei Ärzte verabreichen einem kleinen Jungen eine Polioimpfung, 01.01.1955

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In der auf den Zweiten Weltkrieg folgenden Nachkriegszeit in Wien, die gleichzeitig durch die Alliierte Besatzung gekennzeichnet war, stellte die gesundheitliche und sanitäre Versorgung der Wiener Bevölkerung neben der Lebensmittelversorgung und dem Wiederaufbau eine der größten Herausforderungen für die Wiener Verwaltung dar und beeinflusste den Alltag maßgeblich.

Gesundheitsgefährdende Zustände nach dem Kriegsende

Bei Kriegsende 1945 ergaben sich verschiedene sanitäre und gesundheitliche Probleme in Wien. Ursachen für die schlechten hygienischen Zustände waren beispielsweise die fehlende funktionierende Wasserversorgung und Kanalisation. Zudem gab es keine organisierte Müllbeseitigung. Die Bestattungen von Menschen und Tieren erfolgten in dieser Zeit weiters nur notdürftig. In Verbindung mit mangelhafter Ernährung führten diese Umstände zu einem problematischen gesundheitlichen Zustand der Wiener Bevölkerung.

Die Folge war ein Anstieg von Typhus- und Ruhrerkrankungen sowie von Fleckfieber und Tuberkulose. Außerdem nahmen Geschlechtskrankheiten sowie weitere Infektionskrankheiten und Seuchen zu. Die Umstände führten überdies zu einer erhöhten Sterblichkeit, vor allem bei Neugeborenen: Im Jahr 1945 starb fast jeder dritte Säugling (siehe dazu Säuglingssterblichkeit im Nachkriegs-Wien.

Problematisch war auch der Mangel an qualifiziertem Personal, an unbelasteten Ärzten und ideologisch nicht belastetem Gesundheitspersonal. Während einerseits einige Bedienstete bei Kriegsende geflohen waren, kehrten andererseits auch Vertriebene und Internierte zurück. Die Erfassung und Überprüfung der Ärzte, Zahnärzte, Hebammen und Apotheker war ein aufwändiges Unterfangen. Auch ein Rettungswesen war zu Beginn nicht vorhanden, erst Ende Juni 1945 gingen die ersten beiden Rettungswagen in Betrieb.

Bestattung von Leichen und Kadavern

Bei Kriegsende befanden sich etwa 5000 nicht beerdigte Leichen in der Stadt, 4000 davon auf Friedhöfen, der Abtransport und die Bestattung waren durch die Kampfhandlungen verzögert worden. Außerdem lagerten fast 1850 Tierkadaver in den Straßen Wiens, die aus hygienischen Gründen ehestmöglich beseitigt werden mussten. Direkt nach Kriegsende fehlte aber Personal, von 41 Leichenwagen waren nur 16 betriebsbereit. Mithilfe sowjetischer Lastwägen war es Anfang Mai möglich, die Leichen aus Sammelstellen und Spitälern sowie von öffentlichen Plätzen abzutransportieren, die Bezirkshauptmannschaften wiesen zusätzliche Arbeiter zum Ausheben von Grabstätten an. Da die Sargfabrik in der 10., Absberggasse 2 durch einen Bombentreffer im Februar stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, mussten die Leichen einstweilen in Papierhüllen eingewickelt werden. Die Bedingungen waren zwar alles andere als ideal, aber wenigstens konnte man dadurch von Notbestattungen in Parks absehen. Am 14. Mai 1945 wurde der Bevölkerung die Bestattung außerhalb von Friedhöfen untersagt, ab Ende Mai übernahmen Transportwagen auch den Transport von Leichen zu den Sammelstellen – zuvor war dies in die Verantwortung der Familienangehörigen gefallen. Die wenigen verfügbaren Särge nutzte man für infektiöse und faulende Leichen. Noch bis Juni musste die Feuerwehr eine große Anzahl Leichen und Tierkadaver bergen, die an den Donaukanalbrücken angeschwemmt wurden. Von Exhumierungen wurde vorerst abgesehen, diese wurden – bis auf sanitär besonders bedenkliche Ausnahmefälle – auf die kalte Jahreszeit verschoben. Noch bis Sommer 1946 mussten in Parks und Grünanlagen tausende Exhumierungen durchgeführt werden.

Krankheiten

Die größte Herausforderung direkt nach Kriegsende stellte die Verhinderung von Epidemien dar. Zunächst grassierten vor allem Typhus und Ruhr, insbesondere ausgehend von Favoriten, da dort die Wasserversorgung besonders schwer getroffen war, und auch Überschwemmungen durch Kanalwasser auftraten. Mit den Soldaten und Flüchtlingstransporten kam Ruhr ins Land, weshalb über den Sommer 1945 einige Flüchtlingslager gesperrt wurden. Erst im Herbst 1945 entspannte sich die Situation. Eine Ausnahme stellte das Lager Auhof dar, das wiederholt als "Seuchenherd" geführt wurde.

Diphtherie und Scharlach traten in den ersten Nachkriegsmonaten auf, blieben aber im erwartbaren Rahmen. Mit der Zeit stellte sich Tuberkulose als größte Gefahr heraus. Mangels Betten und Transportmitteln war eine schnelle Absonderung der Erkrankten schwierig. Geschlechtskrankheiten (insbesondere Gonorrhoe) schnellten aufgrund zahlreicher Vergewaltigungen schon im Sommer 1945 nach oben; auch Prostitution spielte eine Rolle bei der Verbreitung. Medikamente zur Behandlung waren zunächst nicht vorhanden. Die Situation besserte sich ab 1946.

Sterblichkeit

Die Sterblichkeit in der Bevölkerung stieg im Frühjahr 1945 kontinuierlich an, und im April erreichte sie einen Höchststand. Im April verstarben etwa 5800 Personen, das war das Zweieinhalbfache des Vergleichszeitraums im Vorjahr. Im Mai und Juni entspannte sich die Situation etwas, bevor im Juli erneut fast die Sterbezahlen vom April erreicht wurden. Hauptursache für den Anstieg im April waren der fehlende Zugang zu sauberem Wasser, das Leben unter unhygienischen Umständen (oftmals in Kellern), und die nervliche Überreizung (Tote durch Kampfhandlungen sind hier nicht berücksichtigt). Im Juli hingegen machte man neben den nun stark einsetzenden Infektionskrankheiten den Nahrungsmangel verantwortlich, denn seit Kriegsende waren die letzten Reserven verbraucht worden. Insgesamt war die Sterblichkeit in Wien 1945 doppelt so hoch wie 1944, und dreimal so hoch wie 1930. Die Geburtenzahl brach ebenso ein, wodurch auf drei Todesfälle nur eine Lebendgeburt kam.

Eine dramatische Entwicklung nahm insbesondere die Säuglingssterblichkeit, die direkt nach Kriegsende auf 20 und bis zum Sommer 1945 sogar auf den Rekordwert von 37% stieg. Dies lag auch am generellen Nahrungs- und in diesem Fall insbesondere Milchmangel, denn viele Babys starben erst im Verlauf des ersten Lebensjahrs. Insbesondere durch die Unterstützung der Vereinigten Staaten konnte hier durch zusätzliche Lebensmittelrationen, Säuglingsnahrung und später Säuglingswäschepakete die Sterberate auf etwa 10% im Frühjahr 1946 gesenkt werden. Noch Ende der 50er Jahre war die Säuglingssterblichkeit mit rund 7% im internationalen Vergleich recht hoch. Auch bei Kindern unter 14 war die Sterblichkeit nach Kriegsende doppelt so hoch wie zuvor, auch hier spielte die Ernährungslage eine Rolle: von 1475 Schulkindern im 5. Bezirk galten im Juni 1945 42% als "höhergradig unterernährt". Abhilfe schaffte hier das groß angelegte Projekt der Schulausspeisung.

Institutionen

Krankenhäuser

Aufgrund der problematischen Umstände, die sich etwa durch Kriegsschäden ergaben, waren die Wiener Spitäler nur sehr begrenzt einsatzbereit. In der Zeit unmittelbar nach dem 7. April agierten die Wiener Krankenhäuser weitgehend autonom, da die Verbindung zu den Zentralstellen gekappt war. Erst Ende April war in allen Spitälern wieder Personal vorhanden. Insgesamt waren in Wien 15 Krankenhaus-Gebäude völlig zerstört und 40 Gebäude zumindest teilweise beschädigt. Dort gab es häufig keine Fensterscheiben, kein Heizmaterial, zu wenig Lebensmittel, Verbandsmaterial und Medikamente; oft fehlten Gas und Strom. Es mangelte an Transportmitteln und sauberer Wäsche, da die städtische Zentralwäscherei sowjetisch besetzt war, und die Werke der Vereinigten Wäschereien AG (Vewag) nur langsam anliefen. Außerdem waren auch Krankenhäuser von Plünderungen – beispielsweise von medizinischen Geräten oder Medikamenten – betroffen. So war in der unmittelbaren Nachkriegszeit praktisch kein Rettungsdienst mehr in Wien vorhanden und es standen nur rund 8.700 Betten zur Verfügung. Die Auflösung der Heereslazarette verbesserte die Situation geringfügig, denn dort gab es kleine Mengen an Wäsche und Mobiliar, in den Lagern der Magistratsabteilung II/3 (Anstaltswesen) konnte man Seife, Medikamente und Verbandstoffe sicherstellen Ein vierjähriger Aufbauplan brachte bis 1950 eine Behebung der größten Schäden, doch dauerte es zweieinhalb Jahre, bis ausreichend Wäsche vorhanden war.

Am stärksten betroffen war das St.-Josef-Kinderspital, das 1946 als Totalschaden geführt wurde, Schäden wurden auch beim Elisabethspital, der Rudolfstiftung, der Poliklinik, dem AKH, dem Preyerschen Kinderspital und der Nervenheilanstalt Döbling in unterschiedlichem Ausmaß angezeigt. Leichtere Schäden hatten so gut wie alle Krankenanstalten vorzuweisen, doch konnten diese bis 1946 weitgehend behoben werden. Insgesamt gingen dadurch über 1400 Betten verloren, 2400 weitere waren von den Besatzungsmächten in Beschlag genommen. Durch die Besetzungen war die zentrale Bewirtschaftung der Spitalsbetten erheblich erschwert, viele Betten blieben in den beschlagnahmten Krankenhäusern auch unbelegt.

Das Franz-Josef-Spital, das auf Infektionskrankheiten spezialisiert war, war stark beschädigt, weshalb das Sophien-Spital in der unmittelbaren Nachkriegszeit komplett als Infektionsspital für Typhus und Ruhr geführt wurde. Insgesamt verfügte Wien im Juni 1945 über 1500 Infektionsbetten. Die Heil- und Pflegeanstalt am Steinhof wurde nach 1945 provisorisch als Zentrales Infektionskrankenhaus mit 600 Betten geführt, doch blieb dieser Zustand viele Jahre lang erhalten. 1950 fasste man den Plan, das Franz-Josef-Spital erneut zum Infektionsspital umzubauen. Noch 1951 bestanden zahlreiche Provisorien, so etwa das Infektionsspital Am Steinhof,

In Floridsdorf war während des Krieges in der Franklinstraße ein neues Spital entstanden, das nach der Zerstörung der Donaubrücken trotz schwerer Schäden am Gebäude eine wichtige Versorgungsfunktion für Wien nördlich der Donau innehatte, und bis 1950 das einzige nördlich der Donau bleiben sollte. Daneben existierte bis Ende 1946 ein Notspital in Groß-Enzersdorf (heute Donaustadt).

Aufbau und Betrieb des Krankenwesens verschlagen enorme Mengen an Geld. 1948 gab es 12.700 Betten in Wien, bis Ende 1950 war diese Zahl auf über 13.200 angewachsen – davon waren nun aber fast 2500 unbelegt, wobei in manchen Bereichen (Augen, Geburtshilfe, Orthopädie) bereits ein Unterbelag von rund 30% konstatiert wurde. Es kam daher zu ersten Kürzungsansätzen, die Magistratsabteilung 17 schlug eine Reduzierung der Betten und dafür die Errichtung eines Notspitals vor, das nur in Spitzenzeiten in Betrieb genommen werden müsste. Die Bundesländer waren kaum mehr in der Lage, die Unkosten für das Spitalswesen zu tragen, 1949 kostete das Gesundheitswesen bereits 226 Millionen Schilling, wovon nur 108 Millionen wieder hereingebracht werden konnten. 1951 suchte daher Karl Maisel, der Minister für Soziale Verwaltung, bei Finanzminister Eugen Margarétha um Unterstützung durch den Bund an. 1954 befanden sich 43% aller österreichischen Krankenbetten in der Hauptstadt, insgesamt 22.800 Stück (einschließlich der Krankenabteilungen in den Altersheimen) – 17.000 davon waren Spitalsbetten.

Andere Heilstätten

Ab 1948 wurde die Wiederrichtung einer Trinkerheilstätte diskutiert, denn die Anzahl der Alkoholkranken war stark im Steigen begriffen – die Zahl der internierten Alkoholiker und Alkoholikerinnen versiebenfachte sich von 1947 bis 1950 (auf 350 Personen). 1950 eröffnete im AKH eine Epileptikerambulanz, die sogleich von 300 Betroffenen in Anspruch genommen wurde. Ab 1950 begann die Stadt mit der Planung einer Krebsfürsorge, 1952 schloss die Stadt mit der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung und Bekämpfung der Krebskrankheit einen Vertrag über die Einrichtung eines Krebsforschungsinstituts. Der Verein erhielt einen Baugrund auf dem Areal der Wiener Kliniken. Zwei Krebsfürsorgestellen öffneten 1953 (1., Gonzagagasse 23; 15., Sorbaitgasse 3).

Rettungswesen

Nach Kriegsende 1945 war das Rettungswesen der Stadt praktisch nicht vorhanden, es war von über 80 Autos nur ein einziges verblieben. Die Rettung musste daher auf Handwägen und Tragbahren zurückgreifen. Bis Jahresende standen sechs Rettungsautos und sieben Krankenbeförderungswägen im Dienst der Stadt, ein Jahr später war die Flotte auf 16 Rettungswägen und 39 Krankenwägen angewachsen. Anfang 1947 erwarb die Stadt 28 Sanitätsautos von der britischen Besatzungsmacht. Bei den Autos handelte es sich lange Zeit um ausrangierte Armeefahrzeuge aus britischen und US-amerikanischen Beständen. 1950 bezog die Stadt elf moderne Sanitätsautos aus Deutschland.

Die erste nach dem Krieg eröffnete Rettungsstation befand sich in Inzersdorf (Draschestraße), damit verfügte die Stadt ab Oktober 1948 über insgesamt sechs dieser Stationen. Die Zentrale war in der Radetzkystraße angesiedelt, Zweigstellen gab es in Mariahilf, Penzing, Ottakring und Floridsdorf. Eine Sanitätsstation mit Platz für acht Sanitätswagen eröffnete 1950 in der Brigittenau (Gerhardusgasse).

Trotz aller Einschränkungen nahm bereits im Winter 1946 ein Wintersport-Rettungsdienst für die Umgebung Wiens den Betrieb auf. Organisiert wurde er von der Arbeitsgemeinschaft zur Organisation und Durchführung eines Wintersport-Unfall Rettungsdienstes (WUD) unter dem Vorsitz des Österreichischen Bergrettungsdienstes. Mehr als 400 Freiwillige waren an schneereichen Sonntagen im Einsatz, einige davon im ständigen Streifendienst. Im Folgejahr stand ein 200 Mann starkes Rettungsteam zur Verfügung, verteilt auf 20 Hilfsplätze. Das Rote Kreuz stellte zwei Sanitätsautos bereit. 1949 war das Netzwerk auf 30 Stationen angewachsen, 270 freiwillige Helferinnen und Helfer versorgten 91 Unfallopfer.

Heimkrankenpflege

Ab März 1947 wirkte die "Wiener Hauskrankenpflege", die sich der Heimbetreuung von mittellosen Hilfsbedürftigen, die in kein Spital aufgenommen werden konnten, widmete. Der Verein übernahm das Gehalt von diplomierten Krankenschwestern und Heimhilfen und entsandte diese in die Wohnungen der Erkrankten. Das Wohlfahrtsamt der Stadt Wien ging mit dem Verein einen Vertrag ein, Hauskrankenpflege musste beim Fürsorgeamt beantragt werden.

Verwaltung

Mit 5. April hatte Hans Dellbrügge als deren Leiter die Staatliche Verwaltung des Reichsgaus Wien aufgelöst und dessen Personal freigestellt, womit auch das Medizinalreferat (dessen Leiter die Stadt verließ) und das Referat für Rechtsangelegenheiten des Gesundheitswesens nicht mehr existierten. Mit der provisorischen Neueinteilung der Zuständigkeiten vom 17. Mai 1945 wurde die Verwaltungsgruppe II (Gesundheitswesen) geschaffen, die sich aus drei Abteilungen konstituierte: Gesundheitsamt (II/1), Sanitätsrechtsangelegenheiten (II/2) und Anstaltenverwaltung (II/3).

Am 16. April 1945 wurde Ehrenfried Lande zum Leiter des Gesundheitsamts (Magistratsabteilung II/1) ernannt, dem zunächst nur 6 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Seite standen. Wichtigstes Ziel war daher zunächst der Ausbau des Personalstandes – die Prüfung des Personals auf fachliche und politische Eignung nahm allerdings Wochen in Anspruch. Bis Juni 1946 war der Personalstand auf 16 Personen angewachsen, auch alle Referate konnte man bis dahin besetzen: von besonderer Wichtigkeit waren zunächst das Referat für Seuchenbekämpfung und die Geschlechtskrankheiten-Beratungsstelle, daneben gab es eine amtsärztliche Untersuchungsstelle, Referate für Säuglings- und Kinderfürsorge, Mutterberatungsstellen und Schulzahnkliniken. Lande reaktivierte außerdem die während des Krieges zusammengekürzten Bezirksgesundheitsämter. Priorität aller behördlichen Maßnahmen hatten in der Anfangszeit vor allem die Bekämpfung von Seuchen, Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten. 1946 erfolgte die Umbenennung in Magistratsabteilung 15.

Der vorherige Leiter des Referates für Rechtsangelegenheiten des Gesundheitswesen, Dr. Hans Goldhann, meldete sich nach Kriegsende bei der Magistratsdirektion, die ihn nach Verabschiedung der vorläufigen Verfassung der Stadt Wien mit der Einrichtung der neu zu schaffenden Abteilung II/2 (Magistratsabteilung für Sanitärrechtsangelegenheiten) betraute – diese sollte die Zuständigkeiten der Magistratsabteilung 13, wie sie im Jahr 1933 bestanden hatte, aufgreifen (Sanitätsrechtsangelegenheiten des Landes und der Gemeinde). Goldhann und seinem Team fiel im Auftrag des Staatsamts für soziale Verwaltung auch die Liquidierung der beiden Referate aus der NS-Zeit zu. Es galt, die Akten für das landesbehördliche Gesundheitswesen von denjenigen zu trennen, die nun dem Wirkungsbereich der Staatsämter zufielen, ein Prozess, der zwar Mitte Juni abgeschlossen war, jedoch konnte mangels Transportmöglichkeiten vorerst keine Überstellung der Akten stattfinden. Die ersten Amtsräume der neuen Abteilung befanden sich in einem stark beschädigten Amtsgebäude (1., Gonzagagasse 23). Mitte Juli konnten der Parteienverkehr aufgenommen werden. 1946 wurde die Abteilung zur Magistratsabteilung 16 (Sanitätsrechtsangelegenheiten).

Die dritte wesentliche Abteilung war II/3 (Anstaltsverwaltung) unter Leitung von Dr. Freunthaller, diese wurde 1946 zur Magistratsabteilung 17.

Im Oktober 1950 konstituierte sich der Landessanitätsrat, der dem Reichssanitätsgesetz zufolge als beratendes Organ den Landeshauptmann unterstützen sollte. Seine Kompetenzen umfassten die Besetzung von Stellen im Sanitätsdienst, die Prüfung und Veröffentlichung der statistischen Erfassungen, und die Verbesserung der sanitären Verhältnisse. Der Rat bestand aus sechs vom Bundesministerium für soziale Verwaltung ernannten Mitgliedern sowie aus zwei vom Stadtsenat entsandten Personen; Körner berief dazu vier außerordentliche Mitglieder. Als Vorsitzenden wählte der Rat Prof. Leopold Schönbauer, der in der NS-Zeit als überzeugter Nazi hervorgetreten war.

Maßnahmen zur Verbesserung der Lage

Aufgrund der angespannten Lage war es wichtig, Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Krankheiten und gesundheitlichen Probleme der WienerInnen vorzunehmen. Dies erfolgte etwa durch die Aufklärung der Bevölkerung und durch hygienische Verhaltensmaßnahmen. Schulen wurden nicht nur für Impfaktionen genutzt, man klärte dort auch Kinder über die Gefahren der Rattenplage 1947 auf. Wichtig war es weiters, gegen Läuse, die Krankheitserreger für Fleckfieber darstellten, vorzugehen. Dazu wurden Stationen an Bahnhöfen und wichtigen Straßen in Wien errichtet, um die ärztliche Kontrolle und Entlausung von Einwohnerinnen und Zuwanderern zu gewährleisten. Auch die Möglichkeit für Quarantäne wurde zur Ansteckungsvermeidung in Wien eingerichtet. Ab November 1945 war die "Sanitätsgruppe der Heimkehrerdienste" an fünf Bahnhöfen tätig, sie verfügte pro Bahnhof über fünf Ärzte und einen Entlausungstrupp, um erkrankte Heimkehrer und Flüchtlinge zu erfassen und zu betreuen.

Seuchenbekämpfung

Von Anfang an bemühte sich das Gesundheitsamt um eine möglichst genaue Erfassung aller Erkrankungsfälle, Hauseigentümer und -eigentümerinnen wurden angewiesen, jeden Verdachtsfall zu melden. Die Bezirksgesundheitsämter hatten täglich über neue Fälle zu berichten. Erkrankte wurden in Krankenhäusern isoliert, jedes Spital musste eine eigene Infektionsabteilung mit 50 Betten einrichten. Bestimmte Erkrankungen wurden gewissen Spitälern zugewiesen (etwa Fleckfieber dem Rochus-Spital). Hauspflege wurde nur in Ausnahmefällen und unter Überwachung durch Ärzte gestattet. Für Desinfektionsmaßnahmen mussten aus Personalmangel Bedienstete der lokalen Behörden hinzugezogen werden. Die Verwaltung bemühte sich, in den stark betroffenen Gebieten (insbesondere Favoriten) die Reparatur von Kanal und Wasserversorgung zu priorisieren. Konsequente Müllbeseitigung und Lebensmittelprüfungen wurden in der ganzen Stadt forciert. Entlausungsstationen in der Stadt und an den Bahnhöfen sollte die Verbreitung des eingeschleppten Fleckfiebers eindämmen, was auch recht schnell gelang.

Groß angelegte und weit beworbene Impfaktionen gegen Typhus, Paratyphus und Cholera liefen schon kurz nach Kriegsende im ganzen Stadtgebiet an. In drei Monaten konnten so über 100.000 Personen immunisiert werden. Die Impfaktion fiel in die Zuständigkeit der Bezirksgesundheitsämter und der Amtsärzte. Der Impfstoff wurde unter anderem durch die Beschlagnahmung des seratherapeutischen Instituts sichergestellt. Ende Oktober 1945 wurde die Typhus-Impfung auf Anweisung der Alliierten obligatorisch, Anfang 1946 erstreckte sich diese Anweisung auch auf alle Neuankömmlinge, die sofort am Bahnhof darauf hingewiesen wurden. Im Herbst 1946 wurden verpflichtende Pockenimpfungen für Kinder stadtweit durchgeführt. In Folge wurden allein 1946 48.000 Kinder gegen Diphtherie sowie 1945 und 1946 mehr als 200.000 Wiener und Wienerinnen gegen Typhus geimpft. Um Typhus-Infektionen vorzubeugen, verstärkte die Stadt außerdem die sanitärpolizeiliche Kontrolle von Lebensmitteln. Impfungen gegen Kinderlähmung fanden bis in die 1960er Jahre statt.

Außerdem bemühte sich die Stadt um eine Kontrolle der Rattenpopulation. Anfang 1946 beauftragte sie die Innung der Schädlingsbekämpfer (1., Weihburggasse 4) mit der regelmäßigen Kontrolle aller Flächen im Stadtgebiet sowie mit der Bekämpfung von eventuell vorhandenen Ratten. Noch 1947 stellten diese aber ein Problem dar, denn der Hausmüll wurde durch die Bevölkerung nicht konsequent entsorgt und oftmals in Höfen abgelagert. Eine Informationskampagne in den Schulen sollte Abhilfe schaffen.

Wasserversorgung

Ein weiteres gesundheitliches und sanitäres Problem stellte die beschädigte Trinkwasserversorgung dar. In vielen Teilen Wiens war die Bevölkerung auf Hausbrunnen angewiesen, die auf ihre Wasserqualität geprüft werden mussten. Im 2., 20., 21. und Teilen des 3. Bezirks durfte das Trinkwasser nur abgekocht konsumiert werden. 1949 musste ein Weg nahe der 1. Hochquellenwasserleitung verlegt werden, da der steigende Verkehr zu Verschmutzungen der Höllentalquelle führte. Vorübergehend wurde das Wasser aus der Hochquellleitung auf Anweisung der Besatzungsbehörden mit Chlor versetzt, 1950 beantragte die SPÖ die Rücknahme dieser Maßnahme.

Die Wiener Kanalisation war durch die Bombenangriffe schon 1944 schwer in Mitleidenschaft gezogen worden, die Reparaturen dauerten bis 1950. Die Randgebiete Wiens waren niemals an das Kanalnetz angeschlossen gewesen, dort bestanden vor dem Krieg noch über 10.000 Senkgruben – sie fielen zu 70% in die Zuständigkeit der Gemeinde; dazu kamen 20.000 weitere in den eingemeindeten Gebieten, welche von den Eigentümern zu räumen waren. Während des Krieges nahmen 28 Fäkalienkraftwagen diese Aufgabe wahr, doch waren diese mit Kriegsende zerstört oder verschleppt. Die Senkgruben mussten daher mit Pumpen und Pferdekesselwagen oder sogar händisch entleert werden. Erst Mitte 1946 standen wieder vier Wagen zur Verfügung, dazu kamen sechs von den Briten übergebene umgebaute Wassertankwagen und ein beigestellter Lastkraftwagen der Amerikaner.

Eine wichtige Rolle für die allgemeine Hygiene spielte auch die Wiedereröffnung der Tröpferlbäder, wovon es Ende 1945 acht Stück in der Stadt gab. Zeitweise mussten die Bäder aber im Winter wegen Kohlenmangels gesperrt bleiben.

Ernährung

Wegen des allgemeinen Mangels war es zunächst nicht möglich, gesundheitlich beeinträchtigte Personen bevorzugt zu versorgen. Erst ab 1. Juli 1945 sollten einige Gruppen Zusatzrationen erhalten: Rekonvaleszente nach schweren Erkrankungen, schweren Operationen oder großem Blutverlust, BlutspenderInnen, Tuberkulose-Kranke, stillende Mütter, Muttermilch-Spenderinnen. Von entscheidender Bedeutung war hier Unterstützung aus dem Ausland, nicht nur durch die Alliierten, sondern auch durch Hilfsorganisationen aus der Schweiz, Schweden und Dänemark. Besonders traten hier die Quäker und die Schweizer Spende hervor. Diese Unterstützung hielt viele Jahre an; bis 1950 lieferten beispielsweise die USA zwanzig Millionen Dosen Kondensmilch, die einerseits zur weiteren Ausgabe an das Anstaltenamt gingen, andererseits in der US-Zone direkt an Spitäler, Alters- und Kinderheime verteilt wurden. Auch Vitamin- und Lebertranspenden trugen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes bei.

Unterstützung der Alliierten

Die alliierten Besatzungsmächte lieferten einen wichtigen Beitrag bei der Gesundheitsversorgung in Wien, wie bei der Durchführung von Impfungen und Entlausungen, aber auch bei Rettungsdiensten. Die hohe Säuglingssterblichkeit wurde seit Beginn der Alliiertenhilfe in Form von besserer medizinischer Betreuung, Ernährung und Hygiene stark gesenkt. So stellten die USA beispielsweise 1945 zusätzliche Lebensmittelrationen für 220.000 Personen zur Verfügung, um die Säuglingssterblichkeit in den Griff zu bekommen. In der Wiener Interalliierten Kommandantur errichteten die Besatzungsmächte ein eigenes Subkomitee für Gesundheit, das beispielsweise mit der Lieferung von Medikamenten nach Wien betraut wurde. Zudem spielte die internationale Lebensmittelhilfe gegen Unterernährung eine bedeutende Rolle.

Quellen

Literatur

  • Gustav Bihl / Gerhard Meißl / Lutz Musner: Vom Kriegsende 1945 bis zur Gegenwart. In: Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 3: Von 1790 bis zur Gegenwart. Hg. von Peter Csendes, Ferdinand Opll. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2006, S. 545-815, hier: 550 f., 572
  • Karl Fischer: Die Vier im Jeep. Die Besatzungszeit in Wien 1945-1955. Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv 1985 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1/1985), S. 8 f.