Wiener Gesundheitsarchitekturen

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Letzte Änderung am 10.11.2023 durch WIEN1.lanm08trj
  • Architekturen der Gesundheit: Zum Wiener Hygienediskurs in medizinischen Fachzeitschriften zwischen 1881 und 1918


Verglichen mit London und Paris galt Wien im 19. Jh. als „ungesunde“ Stadt: Die Tuberkulose wurde auch "Wiener Krankheit" genannt, Cholera-Epidemien suchten die Stadt regelmäßig heim und Maßnahmen zur Hebung der öffentlichen Hygiene und Gesundheitsvorsorge blieben auf wenige einzelne Projekte beschränkt (Cholerakanäle ab 1831; Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung ab 1835). Durch die Urbanisierung und Industrialisierung verschärften sich die sozialen Probleme der Stadthygiene Wiens, sodass Otto Wagner kritisierte, Wien nehme „in sanitärer Beziehung unter den Millionenstädten Europas den letzten Rang ein“.[1]

Während die hygienischen Verhältnisse Wiens in städtebaulicher und architektonischer Hinsicht große Defizite aufwiesen, hatten sich die Stadt und ihre medizinischen Einrichtungen seit den 1780er Jahren zu einem europäischen Zentrum der Medizin entwickelt. Die Leistungen der Ersten Wiener Medizinischen Schule wurden im 19. Jh. fortgeführt und durch die Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Zweiten Wiener Medizinischen Schule große wissenschaftliche und praktische Fortschritte erzielt.

Dem Beziehungsgefüge von Architektur und Gesundheit in der expandierenden Metropole Wien soll anhand von zeitgenössischen Primärtexten nachgegangen werden. Die Bauaufgaben Krankenhaus, “Irren-” bzw. “Heil- und Pflegeanstalt” sowie Sanatorien und Kureinrichtungen, sowohl private wie auch kommunale Projekte und solche in der Zuständigkeit der Niederösterreichischen Statthalterei, stehen im Vordergrund.

Das Projekt geht der Frage nach, welche Bedeutung Mediziner und Ärzte im 19. Jh. den Themen Architektur und Städtebau beimaßen und wie sie sich in konkrete bauliche Gestaltungen einbrachten: Wie äußerten sich in Wien tätige Mediziner über Architektur, welche Fachorgane nutzten sie und welche konkreten architektonischen Sachverhalte kritisierten sie, forderten sie ein und wollten sie umsetzen?

Wir wollen eine genauere Vorstellung von der konkreten oder zumindest diskursiven Zusammenarbeit von Architekten und Medizinern gewinnen: Welche Rolle spielten Ärzte bei der Errichtung von Gesundheitsbauten? Publizierten auch Architekten in medizinischen Fachorganen? Wurden gar Leitfäden zur Errichtung von Gesundheitsbauten erstellt?

Anhand der medizingeschichtlichen Bestände der Bibliothek der Gesellschaft der Ärzte (GdÄ) im Billrothhaus in Wien soll eine digitale Erfassung (in Form einer für künftige Forschungen nutzbaren systematischen Auflistung) einerseits der in Wien bzw. Österreich publizierten Texte über Architektur und Gesundheit erfolgen, andererseits der in diesen Texten erwähnten bzw. besprochenen Objekte und Projekte. Aus quantitativen Gründen begrenzen wir den Untersuchungszeitraum mit 1881 bis 1918: Am Anfang dieser Periode stand die Gründung der Österreichischen Gesellschaft für Gesundheitspflege, die das erklärte Ziel der fächerübergreifenden Arbeit auf dem Gebiet der Gesundheitsarchitektur verfolgte, und am Ende des Ersten Weltkrieges änderten sich die politischen und administrativen Rahmenbedingungen grundsätzlich.

In Anknüpfung an bereits vorliegende Quelleneditionen zum mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Spitalwesen in Österreich soll unser Projekt als Grundlage für eine Quellensammlung zur Situation im Wien des 19. Jh. dienen. Die Texte in medizinischen Fachpublikationen sind wichtige Quellen, um nicht nur diskursive Verschiebungen in Fragen der Gesundheit, Hygiene oder Therapie kulturgeschichtlich einordnen zu können, sondern auch, weil sie den engen Zusammenhang von Medizin und Architektur aufzeigen, der zu Fortschritten in der Gesundheitspflege, aber auch im Wohnungsbau und in der Stadtplanung führte. Wien als Zentrum medizinischer Innovationen dient als Fallbeispiel für eine „moderne“ medizinische Praxis, die der architektonischen Raumgestaltung und der Ortsgebundenheit von Heilung und Genesung einen großen Stellenwert zuwies – und zu so wegweisenden öffentlichen Bauten der Gesundheitspflege führte wie z.B. der Niederösterreichischen Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke Am Steinhof.

Laufzeit des Forschungsprojekts: 1. Oktober 2022–30. November 2023. Finanzierung: Stadt Wien, MA 7 – Kultur-, Wissenschafts- und Forschungsförderung. Kontakt und Projektleitung: Dr. Richard Kurdiovsky (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes, Forschungsbereich Kunstgeschichte) Mitarbeiter*innen: DI Maria Harman und Dr. Oliver Sukrow (TU Darmstadt) Kooperationspartner*in: Gesellschaft der Ärzte in Wien, Billrothhaus

Karte

MarkerRot.pngNoch bestehende Gesundheitsarchitekturen
MarkerBlau.pngNicht mehr bestehende Gesundheitsarchitekturen (historisch)

Einzelnachweise

  1. Erläuterungs-Bericht 1894