Bautätigkeit im schwarzen Wien
Städtebauliche Strategie
Mit der Errichtung des diktatorischen Dollfuß-/Schuschnigg-Regimes und dem Fall des Roten Wien wurde 1934 das kommunale Wohnbauprogramm endgültig beendet. Die Wiener Bürgerschaft unter Bürgermeister Richard Schmitz versuchte im schwarzen Wien eine Neuordnung der Stadt. Vorbilder waren europäische diktatorische Städtebaustrategien der 1930er-Jahre, insbesondere der faschistische, italienische Städtebau Roms.
Wien sollte zur Verkehrsstadt werden. Dafür wurden der Eingriff in die historisch gewachsene Wohnbausubstanz mittels Assanierung, sowie die Adaptierung von Straßen- und Brückenbauten für den Individualverkehr forciert. Im historischen Zentrum sollten monumentale Bauwerke und Verwaltungsgebäude entstehen.
Aufgrund fehlender finanzieller Mittel kam es jedoch nicht zu einem tiefgreifenden Stadtumbau.
Bauindustrie und Wirtschaftskrise
Ausgehend von einem 1934 initiierten Sofortprogramm wurden bis 1938 im schwarzen Wien insgesamt 14,2 Millionen Schilling für den Wohnbau, 10,8 Millionen Schilling für die Errichtung von Familienasylen, 33,3 Millionen Schilling für die Erneuerung von Wohnhäusern durch einen Hausreparaturfonds und 67,5 Millionen Schilling für den Straßen- und Brückenbau veranschlagt. Zusätzlich wurden finanzielle Mittel für den Ausbau der Hochquellenwasserleitung durch den Wasserbehälter Lainz bereitgestellt. Damit wurde die Strategie des Roten Wien zur Bewältigung der Wirtschaftskrise durch die Ankurbelung der Bauindustrie fortgeführt.
Straßen- und Brückenbau
Das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime intensivierte österreichweit in anleihenfinanzierte, arbeitsintensive Großprojekte für Straßen- und Brückenbauten. Kernbauten des Straßenbaues waren in Wien die Höhenstraße und die Wientalstraße. Kernprojekte der Brückenbautätigkeit waren die Reichsbrücke, die Rotundenbrücke und die Schlachthausbrücke. Weitere Brücken wurden auch im Zuge des Höhenstraßenbaus errichtet. Renoviert wurden die Stubenbrücke, die Marienbrücke mit anschließender Stadtbahndecke, die Schmelzbrücke und die Franzensbrücke.
Wohnungsbau
Die Reprivatisierung des Wohnungsbaus wurde mittels Assanierung forciert. Neben dem 1934 dafür initiierten Wiener Assanierungsfonds diente der Bau von Familienasylen der Bekämpfung der steigenden Wohnungslosigkeit. Ab 1937 wurde die Assanierungsstrategie mit Unterstützung der Gelder des Kleinwohnungshausförderungsgesetzes (KlWFG) ausgebaut.
Rund die Hälfte der erstellten Wohnungsbauten wurden, wie Schmitz in der Sitzung der Wiener Bürgerschaft Ende 1937 öffentlich einräumte, durch öffentliche Mittel gefördert (Amtsblatt der Stadt Wien, 1937, Nr. 52, S. 3). Für die Erstellung der Wohnbauten des KlWFG griff das Schwarze Wien auch wieder auf die eingespielte Infrastruktur des Stadtbauamtes zurück. Damit war die Reprivatisierung weitgehend gescheitert.
Siedlungsbau
Die Wiener Bürgerschaft führte den Stadtrandsiedlungsbau von 1932 verstärkt fort. Durch Fehlen von Geldmitteln scheiterte diese Strategie zur sogenannten Entproletarisierung bis 1936 vollständig. Die Arbeiterschaft sollte wieder im Massenwohnungsbau unterkommen. Die bereits über der Donau errichteten Häuser blieben durchwegs ohne infrastrukturelle Anbindung zurück. Der Wiener Assanierungsfonds unterstützte nur wenige Kanalbauten und Schulen.
Sogenannte wilde Siedlungen wurden der Privatisierung zugeführt und die Errichtung von Ein- bis Dreifamilienhäusern ab 1934 durch den Wiener Assanierungsfonds und ab 1937 durch das Kleinwohnungshausförderungsgesetz finanziell unterstützt.
Mit der Gartenstadtsiedlung Hasenleiten wurde ab 1936 wieder der Bau kommunaler Siedlungsgeschossbauten präferiert.
Denkmäler und Kirchenbau
Die Ermordung von Engelbert Dollfuß im Zuge des Juliputsches am 25. Juli 1934 löste eine Denkmalflut aus. Durch die schnelle Einbindung des Dollfuß-Gedenkens in den Ritus der katholischen Kirche konnte die Allianz zwischen Kirche und Dollfuß-/Schuschnigg-Regime gefestigt werden. Diese Verschränkung zeigte sich auch im verstärkten Kirchenbau. Die Kirchen können somit als erste Repräsentativbauten für das diktatorische System gewertet werden.
Wichtigstes Denkmal neben den Dollfuß-Denkmälern war das 1933/34 errichtete Österreichische Heldendenkmal im Burgtor.
Monumentalbauten der Vaterländischen Front
Das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime begann aufgrund fehlender finanzieller Mittel erst 1937 mit der Errichtung monumentaler Repräsentativbauten, konform anderer diktatorischer Systeme in Deutschland, Italien und der Sowjetunion.
Ein erster Monumentalbau entstand aufgrund der Bedeutung des Mediums Radio mit dem Funkhaus der Österreichischen Radio-Verkehrs AG in der 4. Argentinierstraße 30a.
Ein erstes sachliches Postgebäude wurde 1936/37 in der 17., Wattgasse 56–60 errichtet.
Die bereits 1935 geplante Frontführerschule konnte ab 1937 nach Plänen von Robert Kramreiter, der im Monumentalbau die Ideologieträger Denkmal, Kirche und die politische Einrichtung der Vaterländischen Front verschmolz, im Fasangarten bei Schönbrunn umgesetzt werden.
Die Errichtung des monumentalen Fronthauses am 1. Ballhausplatz, nach Plänen von Clemens Holzmeisters, wurde durch den sogenannten "Anschluss" 1938 verhindert.
Volumen des Wohnungsbaues
Durch den Wiener Assanierungsfonds und die Mittel des Kleinwohnungsförderungsgesetzes konnten insgesamt 121 Geschossbauten und 95 Ein- und Mehrfamilienhäuser mit ca. 4.600 Wohnungen geschaffen werden, viele davon wurden erst unter NS-Verwaltung fertig gestellt. Mit den Familienasylen, den Häusern der Stadtrandsiedlungen und den Eigentumshäusern des Gartenstadt-Gürtels konnten von 1934 bis 1938 insgesamt rund 5.700 Wohnungen errichtet werden. Während der kommunalen Bautätigkeit des Roten Wien wurden vergleichsweise jährlich durchschnittlich 6.000 Neubauwohnungen gebaut.
Was blieb vom schwarzen Wien?
Ein Einspielen und Greifen der städtebaulichen Strategie konnte sich durch die kurz bemessene Zeitspanne des Bestehens des schwarzen Wien und die verschärfte wirtschaftliche Krise nicht entfalten.
Nach der Entfernung der Denkmäler des Dollfuß-/Schuschnigg-Regimes und der Umbenennung der Straßen- und Platznamen blieb fast nur eine gewaltige Infrastruktur an katholischen Kirchenbauten übrig. Die Fassaden der entstandenen Häuser unterscheiden sich visuell kaum von der Architektur der späten Gemeindebauten des Roten Wien und den Wohnhäusern der Nachkriegszeit. Insgesamt blieb der Ausbau Stückwerk.
Interaktive Karte
Siehe auch
- Schwarzes Wien
- Wiener Assanierungsfonds
- Kleinwohnungshausförderungsgesetz
- Kirchenbau im schwarzen Wien
- Siedlungsbau im schwarzen Wien
- Stadtplanung
Literatur
- Franz Baltzarek: Wien 1934–1938. Die Geschichte der Bundeshauptstadt im autoritären Österreich. In: Verein für Geschichte der Stadt Wien [Hg.]: Wiener Geschichtsblätter. Sonderheft 2. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1974. S. 49-97
- Magistrat der Stadt Wien [Hg.]: Wien im Aufbau. Band: Der Wiener Assanierungsfonds. Wien: Magistrat 1937
- Magistrat der Stadt Wien [Hg.]: Wien im Aufbau. Band: Die Brückenbautätigkeit der Stadt Wien 1934–1936. Wien: Magistrat 1937
- Magistrat der Stadt Wien [Hg.]: Wien im Aufbau. Band: Die Familien-Asyle der Stadt Wien. Wien: Magistrat 1937
- Magistrat der Stadt Wien [Hg.]: Wien im Aufbau. Band: Drei Jahre neues Wien. Wien: Magistrat 1937
- Magistrat der Stadt Wien [Hg.]: Wien im Aufbau. Band: Wohnungs- und Siedlungswesen. Städtischer Grundbesitz. Wien: Magistrat 1937
- Andreas Suttner: Das schwarze Wien. Bautätigkeit im Ständestaat. Wien: Böhlau 2017
- Jan Tabor [Hg.]: Kunst und Diktatur. Architektur, Bildhauerei und Malerei in Österreich, Deutschland, Italien und der Sowjetunion 1922–1956. Band 1. Baden: Grasl 1994